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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Inland
Interview mit der Radlerin für „Mehr Demokratie“ Ramona Pump
„Einige werden wach gerüttelt“
Von Peter Kleinert

Damit „Mehr Demokratie beim Wählen" demnächst auch in Nordrhein-Westfalen bei Kommunalwahlen möglich wird, radelt seit dem 4. April die in Essen geborene Ramona Pump (27) durch das Land. Die Einführung dieses bereits in 13 Bundesländern üblichen  „Kumulieren und Panaschieren“ genannten demokratischeren Wahlrechts lehnen CDU und SPD in Düsseldorf nämlich ab. Gemeinsam mit dem Kölner „Mehr Demokratie“ e.V. versucht Ramona durch ihre Radtour die für die Volksinitiative notwendigen rund 66.000 Unterschriften per Fahrrad einzusammeln.

Peter Kleinert: Ihre Fahrradtour für ein demokratischeres Wahlrecht in NRW ist ja, wie ich in der NRhZ 94 berichtet habe, nicht die erste, die Sie aus politischem Engagement machen. Können Sie unseren Lesern mal erzählen, wie Sie als Norddeutsche auf die Idee gekommen sind, sich auch hier für mehr Demokratie zu engagieren?


 Damit Ihr auch mal wisst, wie ich aussehe
„Damit Ihr auch mal wisst, wie ich aussehe“

Ramona Pump: Zu dieser Frage muss ein wenig ausholen. Ich hatte die Absicht, eine längere Fahrradtour zu machen, damit ging das Ganze los. Das sollte eine Nächstenliebetour werden, das heisst, ich wollte herumradeln, bei Leuten auftauchen, denen Arbeit gegen Schlafplatz
anbieten - sich also gegenseitig helfen, weil doch so viele der Ansicht sind, dass solche Dinge in Deutschland nahezu unmöglich sind (im Ausland ginge das, aber hier..) Also kündigte ich meine Wohnung, verschenkte meine Einrichtung, trödelte aber noch ein wenig herum.

Dann klingelte mein Handy, und es war jemand dran, der mir von dem Volksbegehren zum Wahlrecht im Land Bremen erzählte (ab Sommer 2006). Man hatte dem meine Nummer gegeben, mit den Worten, ruf die mal an, die hilft bestimmt. Recht hatte derjenige, ich half natürlich. Dadurch kam ich also zu „Mehr Demokratie“.

Als das Ding durch war, klingelte irgendwann wieder mein Handy, und es war jemand dran, der mir von dem bzw. den anstehenden Volksbegehren in Hamburg erzählte. Naja, war ja im Winter und ein wichtiges Thema. Also war klar, dass ich da auch helfen würde. Da ging es um die Wiedereinführung der freien Straßensammlung (jetzt hieß es in Hamburg Amtseintragung für Volksbegehren), und Volksentscheide sollten verbindlicher gemacht werden.
Nun war ich Anfang des Jahres in Hamburg und dort tauchte der Ronald Pabst aus Köln von „Mehr Demokratie“ auf (man hilft sich ja gegenseitig, wenn was ansteht). Bei den Kennenlerngesprächen kam natürlich die anstehende Radtour vor, und irgendwann war abends die Idee der Verbindung der Radtour mit der Volksinitiative zum Wahlrecht in NRW geboren. Und nun radel ich hier durch die Gegend. Allerdings war ich in Hamburg und Bremerhaven nicht mit dem Fahrrad auf Tour, da habe ich per pedes geholfen. Das wird in einigen Zeitungen falsch dargestellt.

Team der Stadtpartei Bocholt
„Das Team der Stadtpartei in Bocholt – ein netter Haufen“

PK: Welche Erfahrungen haben Sie denn insgesamt mit den Medien, vor allem wohl mit der Lokalpresse gemacht? Gab es Berichte, vielleicht sogar Vorab-Berichte, durch die die Menschen auf der Strecke und an den "Haltepunkten" auf Sie und den Hintergrund Ihrer Aktion aufmerksam gemacht wurden?

RP: Zu Beginn der Tour war es mit den Medien nicht ganz so einfach, da wurde ich beispielsweise neben dem „Omnibus für direkte Demokratie“ ignoriert, wenn wir auf unseren Touren zusammentrafen. Mittlerweile kann ich mich nicht beschweren. Stellenweise wird schon die Pressemitteilung als Ankündigung genutzt, sonst tauchen häufiger Reporter für die lokale Zeitung auf. In Duisburg war ich bei einem privaten Sender im TV und ein paar
mal waren auch Radioreporter da.

PK: Gab es auch negative Berichte? Immerhin ist ja offenbar die Landesregierung in Düsseldorf gegen die Änderung des Wahlrechts Richtung Kumulieren und Panaschieren.


RP: Die meisten Berichte kenne ich gar nicht, ich höre oft nur, dass es was gab. Wirklich negatives wüsste ich nicht, da wird dann eher das Thema totgeschwiegen. Es berichten aber auch mehr die lokalen Medien.

Markus und Iris
„Markus und Iris – zwei superliebe Menschen in Aachen,
mit denen ich einen schönen Abend verbracht habe“
Fotos: curlyramona.de

PK: Das Wichtigste für Sie dürften ja auch die Menschen gewesen sein, mit denen Sie zusammengetroffen sind. Meinen Sie, die Anstrengung, der Sie sich mit der Tour ausgesetzt haben, hat sich "gelohnt"?

RP: Ich freue mich über jeden Einzelnen, der mal wieder die Hoffnung bekommt, dass man vielleicht doch was erreichen kann! Sehr viele Menschen sind mit der Politik unzufrieden und einige werden wach gerüttelt, das ist das Wichtigste. Damit lohnt sich auf jeden Fall die
Anstrengung. Und ich werde die ganze Zeit so super umsorgt, dass ich mich eher frage, ob ich mich genug anstrenge.

PK: Welches war denn bisher Ihr unangenehmstes Erlebnis/Gespräch?

RP: Bei den Gesprächen mit den Menschen sind natürlich immer ein paar mit seltsamen Ansichten dabei. Einer wollte die Schuld an allem, wirklich an allem, den Juden geben. Manche Leute sind halt so, das kann dann aber auch reine Provokation sein. Solche Dinge kommen aber sehr selten vor. Die meisten Leute freuen sich, dass man sich für eine gute
Sache einsetzt.

PK: Und an welche Begegnung werden Sie am liebsten zurückdenken?

RP: Mmmh, da gab es ja nun einige. Ich werde lange an diese Tour zurückdenken, das steht fest. Es gab sehr viele supernette Menschen, an die ich geraten bin! Da könnte ich eine ganze Menge Sachen aufzählen. Es gab tolle Reporter, mit denen es unheimlich Spaß gemacht hat, einige tolle Menschen, bei denen ich unterkam. Ganz speziell war ein Paar, das ich in Aachen kennen lernte. Erst hatte ich ihn am Infostand, später wurde sie zu mir geschickt, weil sie mich kennenlernen sollte. Dann wurde ich zum Essen eingeladen und hab mit den Beiden einen sehr schönen Abend verbracht und spontan dort genächtigt. Das war ganz im Sinne meiner ursprünglich angedachten Tour.

PK: Wenn Sie auf Ihrer Tour den NRW-Ministerpräsidenten Rüttgers treffen würden. Was würden Sie ihm zu seiner Weigerung sagen, das Wahlrecht entsprechend der Forderung von "Mehr Demokratie" zu ändern?


RP: Ich kann mich den Aussagen des Mitgründers von „Mehr Demokratie“, Daniel Schily, erstmal klar anschließen. Dass es einen Verlust des Vertrauens der Bürger in die Politik gibt, sollte den Politikern schon lange klar sein. Dafür braucht es keine Umfrage, sondern vielmehr Gespräche mit Bürgern und Entscheidungen, die auch die Mehrheit der Menschen will. Und das fängt schon ganz klar mit dem Wahlrecht an. Auch, wenn das erstmal nur ein kleiner Schritt ist. Natürlich sind mehr Stimmen komplizierter als eine. Aber damit wird den Bürgern ein Stück mehr Mitsprache gegeben, die in anderen Bundesländern sogar völlig normal ist. Die Damen und Herren Politiker in Düsseldorf sollten sich doch über diesen Vorschlag freuen. Die immer wieder beklagte Politikverdrossenheit würde bei mehr Mitsprache der Bürger meiner Ansicht nach mit Sicherheit abnehmen, und das müsste doch auch im Sinne der Politiker sein. Und wie gesagt: Das was wir fordern, ist nur ein kleiner Schritt.

PK: Sie sind ja wohl auch berufstätig? Wie schafft frau es dann überhaupt, so lange Zeit für ein so schönes und wichtiges Ziel unterwegs zu sein?

RP: Eigentlich ganz einfach. Ich bin ja eigentlich selbstständig mit Promotion und Öffentlichkeitsarbeit. Das heißt, mal mache ich Promotion für Produkte in Märkten, es waren aber auch schon schöne Projekte wie Leitung einer aktivierenden Einwohnerbefragung dabei. Hauptsache, es macht mir Spaß und da bin ich leicht zufrieden zu stellen. Jetzt lebe ich ja sehr günstig ohne Wohnung. Ich sag mir immer, das wird schon gehen, und dann geht es auch. Die nächsten Jobs werden sich ergeben, und die Aktionen, bei denen ich jetzt mithelfe, sind mir einfach wichtiger. Hab ja auch noch genügend Jahre zu arbeiten.

PK: Können Sie sich vorstellen, eine solche politisch motivierte Radtour noch einmal zu machen? Zum Beispiel für welches Ziel dann?

RP: Klar! Es muss aber nicht unbedingt im Sinne einer Radtour sein. Für wichtige Dinge bin ich immer zu haben. Den bundesweiten Volksentscheid gibt es ja nach wie vor noch nicht, da wird es wohl noch ein paar Aktionen geben. Dieses Jahr geht es für mich noch mal nach Hamburg, da wird es ja den Volksentscheid zum Volksentscheid geben, da helfe ich natürlich mit. Also mal sehen, wann ich wieder normal sesshaft werde.

Ramona wird am 23. Mai in Essen eintreffen


Online-Flyer Nr. 96  vom 23.05.2007



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