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Globales
Ziel deutscher Außenpolitik: die Zerstückelung Jugoslawiens
Bei den Serben im Kosovo - Teil 1
Von Eckart Spoo

Das Gezeter von Düsseldorfer Kommunalpolitikern, verstärkt durch Tiraden in Medien wie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, machte es dem Schriftsteller Peter Handke vor einem Jahr unmöglich, den Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preis anzunehmen. Daraufhin ersannen Autoren der Berliner Zeitschrift „Ossietzky“, Künstler und Wissenschaftler spontan den Berliner Heinrich-Heine-Preis und sammelten - unterstützt auch von der NRhZ - bei mehr als 500 Spendern das stattliche Preisgeld von 50.000 Euro, wobei von vornherein klar war, daß Peter Handke das Geld nicht für sich behalten, sondern an die Menschen im „Elendstrichter“ des Kosovo weitergeben wollte. Auf seiner Osterreise nach Velika Hoca wurde Handke u.a. vom „Ossietzky“- Redakteur Eckart Spoo begleitet. Hier der erste Teil seines Reiseberichts.

Am Ostersonntag nach der orthodoxen Messe in Velika Hoca: Eckart Spoo verliest die Laudatio auf Preisträger Peter Handke.
Am Ostersonntag nach der orthodoxen Messe in Velika Hoca: Eckart Spoo verliest die Laudatio auf Preisträger Peter Handke.
Foto: Gabriele Senft

Dem deutschen Botschafter in Belgrad, Andreas Zobel, fehlt es nicht an Selbstbewußtsein. Er demonstrierte es dieser Tage auf einem „Forum für internationale Beziehungen der Europa-Bewegung in Serbien“. Da drohte er den Serben: Das Kosovo-Problem sollte schnellstmöglich im Sinne einer „überwachten Unabhängigkeit“ gelöst werden, andernfalls könnten Probleme in der Vojvodina und im Sandschak „eröffnet“ werden. Von Diplomaten erwartet man üblicherweise eine höfliche, zurückhaltende Sprache. Herr Zobel aber hielt es für richtig, der Regierung des Staates, in dem er akkreditiert ist, überdeutlich mitzuteilen, was er von ihr hält. Er sagte: Serbien habe „eine bessere politische Elite“ verdient. Wer so grob poltert und die Politiker seines Gastlandes beleidigt, hat offenbar anderes im Sinne, als sich beliebt zu machen. Für serbische Ohren, vor allem für historisch geschulte, wurde hier ein teutonischer „Herr im Hause“-Anspruch hörbar, dem es gleichgültig ist, welche Sorgen und Ängste er weckt.

Deutsches Militär war im vorigen Jahrhundert an drei Angriffskriegen gegen Serbien beteiligt: 1914, 1941 und 1999. Beim dritten Mal gehörte es zu den Siegern, und die deutsche Diplomatie war nun darauf bedacht, daß in Belgrad Politiker an die Regierung kamen, von denen zu erwarten war, daß sie sich deutschen Wünschen nicht widersetzten. Besonders deutlich wurde das, als nach dem Bombenkrieg der NATO gegen Serbien Zoran Djindjic serbischer Ministerpräsident wurde, der während des Krieges in Deutschland gelebt und in Serbien den Spitznamen „der Deutsche“ erhalten hatte. Djindjic wurde Opfer eines Attentats. Aber für eine grundsätzlich deutschfreundliche Politik ist gesorgt, unter anderem durch die Medien.

Die führende Tageszeitung Serbiens, „Politika“, gehört inzwischen zur Hälfte dem deutschen Medienkonzern, an dessen Spitze Bodo Hombach steht. Während des Krieges gegen Serbien war Hombach die rechte Hand Gerhard Schröders im Bundeskanzleramt, nach dem Krieg wurde er von Schröder auf den Balkan entsandt, und er erwarb dort eine Zeitung nach der anderen für den Essener WAZ-Konzern: in Kroatien, Makedonien, Bulgarien, Rumänien und eben auch in Serbien. Die große serbische Boulevardzeitung „Blic“ gehört einem anderen deutschen Medienkonzern, Bertelsmann, der weltweit auch unter dem Namen Random House aktiv ist. Deutscher Einfluß auf die serbischen Angelegenheiten ist also gesichert. Aber wenn ein Botschafter so plump auftritt wie Herr Zobel, kann die Regierung des Gastlands dazu nicht schweigen. Und so traf dann auch bald ein offizieller serbischer Protest in Berlin ein. Andere Regierungen hätten einen Diplomaten, der sich dermaßen daneben benimmt, sofort zur persona non grata erklärt.

Das deutsche Auswärtige Amt schwieg dazu. Eine Beamtin behauptete, die Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden – aber das in Belgrad veröffentlichte Wortprotokoll machte diese Ausrede zunichte. Die verlangte Distanzierung unterblieb.

Der Auswärtige Dienst ist in vielen Ländern ein Hort des Konservativismus, so auch und gerade in Deutschland. Über ganze Generationen von Diplomaten hinweg wird dort Kontinuität gepflegt. Eine Konstante deutscher Außenpolitik ist die Hochnäsigkeit gegenüber Serbien. Und das Bemühen, Serbien zu schwächen.

Nach den Erfahrungen des Ersten und des Zweiten Weltkriegs hatten sich die südslawischen Völker bundesstaatlich zusammengeschlossen. Der gemeinsame Partisanenkampf gegen Hitler-Deutschland, an dem sich Menschen aller Nationalitäten beteiligt hatten, gehörte zu den politischen Grundlagen der Einheit Jugoslawiens in den Jahrzehnten unter Präsident Tito. Unmittelbar nach Wiederherstellung der Einheit Deutschlands 1990 begann die deutsche Außenpolitik wieder mit dem Zerstückeln Jugoslawiens. Trotz dringender Warnungen und Beschwörungen des damaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Perez de Cuellar, betrieb der deutsche Außenminister Genscher die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens; darauf folgte die Sezession Makedoniens, Bosnien-Herzegowinas, Montenegros. Zum Teil führten die separatistischen Bewegungen zu Massenvertreibungen, Gegenwehr, Bürgerkrieg. Serbien erhielt zwar durch die Resolution 1244 des Weltsicherheitsrats internationale Anerkennung für die Grenzen seines Territoriums einschließlich Kosovo, aber die US-Regierung bestärkte albanische Separatisten im Kosovo, die auch deutsche Unterstützung erhielten.

Mit der unwahren Behauptung, der serbische Präsident Slobodan Milosevic wolle die albanische Bevölkerungsmehrheit aus Kosovo vertreiben, begründete 1999 die NATO ihren Bombenkrieg gegen Serbien. Seitdem steht Kosovo unter internationaler Verwaltung, obgleich es völkerrechtlich weiterhin zu Serbien gehört. Der finnische Diplomat Martti Ahtisaari empfahl vor einigen Monaten die Abtrennung Kosovos von Serbien, Berlin spendete kräftigen Beifall. In der deutschen Hauptstadt beschäftigt man sich schon lange damit, für ein unabhängiges Kosovo eine Verfassung auszuarbeiten. Woran es noch fehlt, ist die Zustimmung Serbiens zur Preisgabe des Landesteils, der als die Wiege des Serbentums gilt. Ob die Drohung des deutschen Botschafters, andernfalls könnten Probleme in der Vojvodina und im Sandschak „eröffnet“ werden, ob also die Drohung mit weiterer Zerstückelung Serbiens geeignet ist, die Politiker in Belgrad umzustimmen, wage ich nicht vorherzusagen.

Eckart Spoo wird anlässlich der Reise mit Peter Handke in vier weiteren Beiträgen über die Lage im Kosovo berichten.

Online-Flyer Nr. 94  vom 09.05.2007



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