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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Lokales
Rumänische Bettler in Köln – von Medien, Polizei und Stadt verfolgt
Preis der EU Erweiterung
Von Rudi Rute

Die Stadt Köln verfolgt zurzeit gezielt verarmte Menschen rumänischer Abstammung, die in der Stadt entweder wild campieren oder in völlig herunter gekommenen so genannten "Hotels" leben. Rumänen können seit der
EU-Erweiterung legal als Touristen einreisen und verdienen ihren Lebensunterhalt vornehmlich mit Betteln an Haustüren und vor  Supermärkten, dabei vor allem in den Vororten, und nicht wie von einer Kölner Boulevardzeitung suggeriert in der Kölner Innenstadt. Auf der Suche nach beweiskräftigen Motiven musste deshalb wohl auch schon ein deutscher Staatsbürger als bettelnder Rumäne auf der Hohe Straße fotografiert für die öffentliche Stimmungsmache in dieser Zeitung herhalten.


Laut Aussagen von Polizei und Ordnungsamt sollen die Rumänen, die in ganzen Familien anreisen, Opfer organisierter Schleuserbanden sein, die unter Vorspielen falscher Tatsachen nach Deutschland gelockt wurden. Wie zu lesen war, würden dabei in der Regel auch noch Gelder der täglichen Betteleinnahmen von Hintermännern abgeschöpft. Polizei und Stadtspitze sprechen öffentlich von "kommerziellem" Betteln und legitimieren damit wiederum, unter Androhung von Ordnungsgeldern, ein Bettelverbot auszusprechen, um die freiwillige Rückführung der unbequemen neuen Europäer nach Rumänien zu beschleunigen.


Don Franco
Don Franco - Straßenmusiker
Quelle: NRhZ-Archiv


Don Franco, Straßenmusiker von den Magic Street Voices, der bereits vor Monaten in Zusammenarbeit mit einem Journalisten aus dem selben Verlagshaus, in dem auch die erwähnte Boulevardzeitung erscheint, das  Thema "präventiv" ausführlich recherchiert hatte und das alles mitbekommt, meint dagegen: "Betteln ist grundsätzlich vom Gesetz her erlaubt". Auch hätte man sich damals darauf reduziert, die Lebensumstände zu  dokumentieren, anstatt die Räumung der wilden Camps durch die Polizei zu begleiten, um diese armen Menschen einer breiten Öffentlichkeit auf dem Präsentierteller zu servieren.

Nach eigenen Gesprächen mit Betroffenen fordert Don Franco die Stadt auf, "nicht jedem Rumänen trickreich gewerbsmäßiges Betteln zu unterstellen und alles in nebulöse mafiöse Strukturen hineinzudichten, um damit geltendes Recht und die Verfassung zu umgehen, sonst machen sich die Akteure nämlich selbst strafbar."

Die Androhung von Ordnungsstrafen gegenüber Mittellosen sei zudem "völlig kontraproduktiv" und beraube sie der einzigen legalen Einnahmequelle, was "in der Regel automatisch in die Kriminalität führt". Es handle sich in den meisten Fällen um "selbständige" Bettler, die auf Eigeninitiative mit auf diese "Kundschaft" ausgerichteten Reiseveranstaltern mit Bussen nach Deutschland gekommen sind, und zum Teil nun hier in Gruppen und Familiensippen auf eigene Kappe arbeiten. Mit der Hoffung auf ein besseres Leben in Deutschland dürfte demnach das Betteln nur eine erste Übergangstätigkeit sein, genauso wie das wilde Campieren und Hausen in Billighotels, die diesen Namen nicht verdienen, zumal die Adressen als "All In" von den Reiseveranstaltern anscheinend gleich mitgeliefert würden. Ziel der meisten Rumänen dürfte es wohl sein, sich hier dauerhaft niederzulassen  und Arbeit sowie bezahlbaren Wohnraum zu finden. Einige seien bereis vor  der EU-Erweiterung im Stadtgebiet gewesen und hätten dann seit der  EU-Mitgliedschaft offener als Bettler gearbeitet.

In Köln-Porz lebende Rumänen erhalten laut Don Franco seit Monaten in der Poller Obdachloseninitiative Oase Benedikt Labre e.V. sowohl Essen wie auch Kleiderspenden, nur ihre ärztliche Versorgung sei mangels
Versicherung und aus Angst vor Repressionen wie schon bei den
Roma-Familien katastrophal. Das Angebot der Stadt einer kostenlosen
Rückführung hält Don Franco für eine "gute Alternative". Doch meint er auch, „notwendige Hilfen für hier verbleibende Rumänen müssen auch gegeben werden, wie das mit anderen zugereisten Volksgruppen im Laufe der letzten Jahrzehnte geschehen ist." Strafen sollten die Behörden stattdessen "den Eigentümern der oben genannten „Hotels“ androhen, die diese armen Menschen in unmöglichen Behausungen unterbringen." "Schon vor 10 Jahren", so Don Franco, "wurden in solchen angeblichen Hotels Obdachlose einquartiert.“ So habe man mit Steuergeldern völlig überteuerte Bruchbuden finanziert, obwohl man damit auch reguläre Mietwohnung hätte finanzieren können, was der Integration zuträglicher gewesen wäre."

In diesem Punkt ist sich Don Franco dann auch wieder einig mit dem
sinnig nachgeschobenen Kommentar eines anderen Journalisten
besagter Boulevardzeitung, deren Chefredakteur er ans Herz legt,
solch schwierige Themen nur in verantwortungsvolle journalistische Hände zu geben, wenn man es unbedingt auf der Boulevardschiene abarbeiten müsse.

„Unerlässlich“ scheint Don Franco, „in Rumänien selbst intensive Aufklärungsarbeit darüber zu leisten, dass in Deutschland trotz Rekordexporten und Megagewinnen der Industrie vielen zu Niedriglöhnen arbeitenden oder arbeitslosen Bürgern finanziell das Wasser bis zum Hals steht". Dies führe zu einer neuen Fremdenfeindlichkeit, die rechte Gruppierungen wie pro Köln für ihre Zwecke nutzten, "ja sogar in informellen Absprachen auf den Fluren der Rathauses mit einzelnen Vertretern etablierter konservativer Parteien abgleichen". Schon darum sei Deutschland als Einwanderungsland und Köln als Ziel "nicht zu empfehlen, was jedem armen Rumänen einleuchten dürfte." Denn, so Don Franco, "nichts ist abschreckender als die nackte Wahrheit."

Online-Flyer Nr. 94  vom 09.05.2007



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