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Arbeit und Soziales
Ein Plädoyer der „Aktion 3.Welt Saar“ für Kinderrechte
Gute Kinderarbeit – schlechte Kinderarbeit
Von Wolfgang Johann
„Kinderarbeit find ich gut.“
Dieser Spruch könnte vom 16jährigen Joel aus Paraguay sein. Joel war einer von 32 Delegierten aus über 22 Ländern auf dem Weltkongress arbeitender Kinder 2004 in Berlin. Joel und seine KollegInnen nervt das gut gemeinte Betätscheln, wenn es in Deutschland um Kinderarbeit geht. Denn allzu oft ist der erste Reflex Mitleid. Man möchte der Kinderarbeit kompromisslos „einen Riegel vorschieben“.
Dabei ist das, was Zeitungsjungen und Ferienjobber in Saarbrücken, Trier oder Berlin leisten, Arbeit. Kinderarbeit sogar. In den Industrieländern findet das niemand anrüchig, im Gegenteil: Die Arbeit wird mit Eigeninitiative und Selbstständigkeit assoziiert. Wieso sollte also jemand Joel erzählen wollen, es wäre besser für ihn, nicht zu arbeiten? Zumal noch, da er aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus arbeitet. „Wir können doch nicht dabei zuschauen, wie unsere Eltern sich abrackern und selbst nichts tun.“
Während Joel arbeiten muss, um sich und seine Familie zu ernähren, arbeitet der Teenager hier im Ferienjob, um sich weitere Konsumwünsche zu erfüllen. In Deutschland unterliegt die Arbeit von Kindern und Jugendlichen klaren Regeln und Gesetzen. Von Verbot spricht hier niemand. Entscheidend sind die Arbeitsbedingungen und die Rechte der Kinder. Gerne werden aber die arbeitenden Kinder in der 3. Welt auf die Rolle des Schutzbefohlenen reduziert, als passive Empfänger von Mitleid und Spenden.
„Wir können arbeiten, spielen und lernen“
Das Gegenteil davon wäre, Kinder als ernstzunehmende Subjekte zu begreifen, die handeln und entscheiden können. Unter diesem Blickwinkel spricht nichts gegen Kinderarbeit, wenn den Kindern und Jugendlichen Zeit zum Spielen, für die Schule, für die Ausbildung und zum Ausruhen bleibt, und sie dem Alter angemessen und materiell gerecht entlohnt werden. „Das Arbeiten und gleichzeitig noch spielen und lernen. Das schließt sich nicht aus.“ Von seinem Verdienst bezahlt er auch das Schulgeld.
Alle Fotos: © AKTION 3.WELT SAAR
Kinderarbeit für den Profit der Reichen
Weltweit arbeiten über 200 Millionen Kinder: Als ArbeitssklavInnen auf Baumwollfeldern, in Steinbrüchen, in den Textilfabriken der „Sonderwirtschaftszonen“ in Asien und im informellen Sektor ohne Arbeitsverträge und Sozialleistungen als SchuhputzerInnen, ZeitungsverkäuferInnen oder als Dienstmädchen in besser gestellten Haushalten. Jährlich kommen ca. 22.000 Kinder bei Arbeitsunfällen ums Leben. Solange sie keine Rechte haben, sind sie das schwächste Glied in der Produktionskette.
Auch deutsche Unternehmen machen mit, zum Beispiel die BAYER AG und einige ihrer Zulieferbetriebe. 2003 untersuchte der indische Arbeitswissenschaftler Dr. Davuluri Venkateswarlu die Arbeitsbedingungen im indischen Baumwollanbau. [1] Er kommt zu dem Ergebnis, dass multinationale Saatgutfirmen wie die BAYER-Tochter ProAgro ihre Profite auch mit ausbeuterischer Kinderarbeit erzielen. BAYER versprach die Abschaffung der Kinderarbeit in seinem Einflussbereich, 2006 beuteten BAYER-Zulieferer jedoch nach wie vor KinderarbeiterInnen aus. [2]
Wirtschaftswachstum fördert Kinderarbeit
Armut und der kontinuierliche Ressourcentransfer von Süd nach Nord sind die Hauptursachen für ausbeuterische Kinderarbeit. Das Festhalten am Leitbild des stetigen Wirtschaftswachstums führt neben ökologischen Problemen auch zu einem (inter-) nationalen Wettlauf um die gewerkschaftsfeindlichsten Gesetze, die niedrigsten Steuern und die billigsten Arbeitskräfte. Wirtschaftswachstum ohne veränderte Rahmenbedingungen und gerechte Verteilung von Gewinn und Profit wird zum Motor von Armut, Abhängigkeit und Ausbeutung der ArbeitnehmerInnen – überall auf der Welt. Der Druck auf die Kinder wächst, und der Teufelkreis schließt sich: Kinder und Jugendliche arbeiten für Hungerlöhne im rechtlosen Raum, statt durch Ausbildung ihre Situation zu verbessern, und haben später kaum die Chance, mit einer anderen Tätigkeit außer als Tagelöhner ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Verbot von Kinderarbeit hilft nicht weiter
Auch wäre Joel und den anderen KinderarbeiterInnen durch ein staatliches Verbot von Kinderarbeit nicht geholfen. Im Gegenteil: Durch ein Verbot von Kinderarbeit werden sie lediglich in die Illegalität abgedrängt und agieren in einem noch rechtloseren Raum. Die ökonomische Notwendigkeit ihrer Arbeit wird durch ein Verbot nicht aufgehoben, sondern eher noch verschärft. Was also tun? Die arbeitenden Kinder haben konkrete Vorstellungen entwickelt, was in ihrem Leben anders und besser sein könnte. Sie fordern von den Industrieländern statt Programmen zur Abschaffung der Kinderarbeit, die sie entrechten und in die Illegalität treiben, ein Ende der Ausbeutung und der Verschuldung der Länder der 3. Welt, da die ungerechte Verteilung des Reichtums der Welt die wesentliche Ursache für ausbeuterische Kinderarbeit ist. Solange kein Paradigmenwechsel in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen vollzogen wird, dienen Programme zur Abschaffung der Kinderarbeit lediglich der Beruhigung des eigenen Gewissens.
Was kann konkret getan werden?
1. Kindermund tut Wahrheit kund - Hört auf die Kinder
Seit Ende der 70er Jahre organisieren sich arbeitende Kinder und Jugendliche. Sie müssen von internationalen Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) anerkannt werden. Sie müssen ihre Interessen vertreten und ihre Rechte durchsetzen können - lokal, national und international. Im Frühjahr 2006 veröffentlichte die ILO einen optimistischen Bericht: Das Ende der Kinderarbeit sei nahe. [3]
Auch wenn der Wunsch die Mutter des Gedankens war, enthält er doch erstmals die Feststellung, dass arbeitende Kinder und Jugendliche in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden müssen. Sie werden nicht mehr bloß zu Objekten degradiert, sondern - wenn auch zaghaft – als Subjekte mit dem Recht auf Selbst- und Mitbestimmung aufgefasst. Man fängt an, die Kinder ernst zu nehmen und damit ihre Probleme und Belange.
2. Profiteuren der Kinderarbeit an den Kragen
Jede Art von Kinderhandel, Prostitution, die Instrumentalisierung von Kindern für Kriege, Drogenhandel oder Pornographie sind Verbrechen an Kindern. Regierungen und Unternehmen wie zum Beispiel Reiseveranstalter, die Verbrechen an Kindern fördern, akzeptieren oder innerhalb ihres Einflussbereiches tolerieren, müssen sanktioniert werden. Zwischen 250.000 und 300.000 KindersoldatInnen kämpfen auf den Kriegsschauplätzen der Welt, etwa zwei Millionen KindersoldatInnen sind zwischen 1990 und 2000 in Kriegen gestorben, sechs Millionen wurden zu Invaliden.
In die BRD sind etwa 300 ehemalige KindersoldatInnen geflüchtet, ihr Fluchtgrund wird jedoch nicht anerkannt: Im Juristendeutsch heißen sie „Deserteure“ und werden lediglich geduldet. Kinderspezifische Fluchtgründe müssen ebenso anerkannt werden wie frauenspezifische Fluchtgründe für Mädchen und Frauen, die vor ihren Peinigern Schutz suchen.
3. Mit „Fairem Handel“ gegen Kinderarbeit
Wenn Erwachsene in der 3. Welt genügend verdienen, wird der wirtschaftlichen Notwendigkeit von Kinderarbeit die Grundlage entzogen. Dazu braucht es hier wie dort handlungsfähige soziale Bewegungen und starke Gewerkschaften. Der Faire Handel verbessert mit einem Aufschlag auf den Weltmarktpreis mit seinen langfristigen Handelsbeziehungen und einer Vorfinanzierung die Situation der Produzenten: Gutes Geld für gute Produkte. Fairer Handel heißt also nicht einfach nur nett sein, sondern eine gegenseitige Handelsbeziehung auf Augenhöhe zwischen gleichberechtigten PartnerInnen. Fast zumindest.
4. Kommunen kaufen Produkte ohne Kinderarbeit
Die Aufträge der Kommunen in Deutschland umfassen 360 Milliarden Euro. Mit etwa 60% aller öffentlichen Aufträge sind sie die größten Auftraggeber. In immer mehr Städten bestehen Stadtratsbeschlüsse, auf Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verzichten. So fasste die Gemeinde Rehlingen-Siersburg auf Anregung der „Aktion 3.Welt Saar” im Dezember 2005 als erste Kommune des Saarlandes einen entsprechenden Beschluss. Ein wichtiger Anfang.
Mit Kinderarbeit wird’s billig.
Im real existierenden Kapitalismus ist Kinderarbeit an der Tagesordnung. Mal offen, mal verdeckt. Ohne Kinderarbeit wäre vieles nicht so billig. Sobald aber KonsumentInnen nachfragen und keine Produkte mehr aus ausbeuterischer Kinderarbeit kaufen und soziale wie gewerkschaftliche Bewegungen Kinderarbeit zu ihrem Thema machen, kann sich etwas ändern. Ebenso richtig ist es, seitens Gewerkschaften und politischen Organisationen gegen den Billig-Wahn von Lidl & Co. vorzugehen und die massenhafte Verletzung von ArbeitnehmerInnenrechten hier und in der 3. Welt sowie die Preisdrückerei gegenüber Bauern in Deutschland zu brandmarken.
Soziale Gerechtigkeit ist nicht teilbar, weder nach Nationalgrenzen noch nach Alter. Billig hat eben seinen Preis: Ausbeuterische Kinderarbeit in der 3. Welt und die Missachtung von ArbeitnehmerInnenrechten hier. Es sind zwei Seiten einer Medaille. Die Realisierung von Kinderrechten ist ein Prozess, der in eine gesamtgesellschaftliche Utopie von sozialer Gerechtigkeit eingegliedert sein muss. Alles darunter bleibt meist ein von Mitleid getränkter Blick auf „die armen Kinder da unten.“
[1] „Stichwort BAYER“, 3/2003 und 2/2005
[2] „Stichwort BAYER Extra“, 1/2006
[3] “The end of child labour: Within reach”, ILO-Bericht, Mai 2006
Wolfgang Johann ist Mitarbeiter der „AKTION 3.WELT SAAR“, die eine Welt anstrebt, in der jeder Mensch frei von Armut, Existenznot und Unterdrückung nach seinen Vorstellungen leben kann. Zentrales Ziel ist deshalb Soziale Gerechtigkeit und ein gleichberechtigter Zugriff zu den materiellen und kulturellen Ressourcen einer Gesellschaft. Weil sie sich nicht anmaßt, andere zu entwickeln, hat sie kein Projekt in der so genannten 3. Welt. Ihr Projektgebiet heißt Deutschland. Als allgemeinpolitische Organisation äußert sie sich zu Themen wie Globalisierung, Ökologie, Ernährung, Hunger, Pop-Kultur, Asyl, Rassismus und dem neuen wie alten Antisemitismus.
Online-Flyer Nr. 90 vom 11.04.2007
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Arbeit und Soziales
Ein Plädoyer der „Aktion 3.Welt Saar“ für Kinderrechte
Gute Kinderarbeit – schlechte Kinderarbeit
Von Wolfgang Johann
„Kinderarbeit find ich gut.“
Dieser Spruch könnte vom 16jährigen Joel aus Paraguay sein. Joel war einer von 32 Delegierten aus über 22 Ländern auf dem Weltkongress arbeitender Kinder 2004 in Berlin. Joel und seine KollegInnen nervt das gut gemeinte Betätscheln, wenn es in Deutschland um Kinderarbeit geht. Denn allzu oft ist der erste Reflex Mitleid. Man möchte der Kinderarbeit kompromisslos „einen Riegel vorschieben“.
Dabei ist das, was Zeitungsjungen und Ferienjobber in Saarbrücken, Trier oder Berlin leisten, Arbeit. Kinderarbeit sogar. In den Industrieländern findet das niemand anrüchig, im Gegenteil: Die Arbeit wird mit Eigeninitiative und Selbstständigkeit assoziiert. Wieso sollte also jemand Joel erzählen wollen, es wäre besser für ihn, nicht zu arbeiten? Zumal noch, da er aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus arbeitet. „Wir können doch nicht dabei zuschauen, wie unsere Eltern sich abrackern und selbst nichts tun.“
Während Joel arbeiten muss, um sich und seine Familie zu ernähren, arbeitet der Teenager hier im Ferienjob, um sich weitere Konsumwünsche zu erfüllen. In Deutschland unterliegt die Arbeit von Kindern und Jugendlichen klaren Regeln und Gesetzen. Von Verbot spricht hier niemand. Entscheidend sind die Arbeitsbedingungen und die Rechte der Kinder. Gerne werden aber die arbeitenden Kinder in der 3. Welt auf die Rolle des Schutzbefohlenen reduziert, als passive Empfänger von Mitleid und Spenden.
„Wir können arbeiten, spielen und lernen“
Das Gegenteil davon wäre, Kinder als ernstzunehmende Subjekte zu begreifen, die handeln und entscheiden können. Unter diesem Blickwinkel spricht nichts gegen Kinderarbeit, wenn den Kindern und Jugendlichen Zeit zum Spielen, für die Schule, für die Ausbildung und zum Ausruhen bleibt, und sie dem Alter angemessen und materiell gerecht entlohnt werden. „Das Arbeiten und gleichzeitig noch spielen und lernen. Das schließt sich nicht aus.“ Von seinem Verdienst bezahlt er auch das Schulgeld.
Alle Fotos: © AKTION 3.WELT SAAR
Kinderarbeit für den Profit der Reichen
Weltweit arbeiten über 200 Millionen Kinder: Als ArbeitssklavInnen auf Baumwollfeldern, in Steinbrüchen, in den Textilfabriken der „Sonderwirtschaftszonen“ in Asien und im informellen Sektor ohne Arbeitsverträge und Sozialleistungen als SchuhputzerInnen, ZeitungsverkäuferInnen oder als Dienstmädchen in besser gestellten Haushalten. Jährlich kommen ca. 22.000 Kinder bei Arbeitsunfällen ums Leben. Solange sie keine Rechte haben, sind sie das schwächste Glied in der Produktionskette.
Auch deutsche Unternehmen machen mit, zum Beispiel die BAYER AG und einige ihrer Zulieferbetriebe. 2003 untersuchte der indische Arbeitswissenschaftler Dr. Davuluri Venkateswarlu die Arbeitsbedingungen im indischen Baumwollanbau. [1] Er kommt zu dem Ergebnis, dass multinationale Saatgutfirmen wie die BAYER-Tochter ProAgro ihre Profite auch mit ausbeuterischer Kinderarbeit erzielen. BAYER versprach die Abschaffung der Kinderarbeit in seinem Einflussbereich, 2006 beuteten BAYER-Zulieferer jedoch nach wie vor KinderarbeiterInnen aus. [2]
Wirtschaftswachstum fördert Kinderarbeit
Armut und der kontinuierliche Ressourcentransfer von Süd nach Nord sind die Hauptursachen für ausbeuterische Kinderarbeit. Das Festhalten am Leitbild des stetigen Wirtschaftswachstums führt neben ökologischen Problemen auch zu einem (inter-) nationalen Wettlauf um die gewerkschaftsfeindlichsten Gesetze, die niedrigsten Steuern und die billigsten Arbeitskräfte. Wirtschaftswachstum ohne veränderte Rahmenbedingungen und gerechte Verteilung von Gewinn und Profit wird zum Motor von Armut, Abhängigkeit und Ausbeutung der ArbeitnehmerInnen – überall auf der Welt. Der Druck auf die Kinder wächst, und der Teufelkreis schließt sich: Kinder und Jugendliche arbeiten für Hungerlöhne im rechtlosen Raum, statt durch Ausbildung ihre Situation zu verbessern, und haben später kaum die Chance, mit einer anderen Tätigkeit außer als Tagelöhner ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Verbot von Kinderarbeit hilft nicht weiter
Auch wäre Joel und den anderen KinderarbeiterInnen durch ein staatliches Verbot von Kinderarbeit nicht geholfen. Im Gegenteil: Durch ein Verbot von Kinderarbeit werden sie lediglich in die Illegalität abgedrängt und agieren in einem noch rechtloseren Raum. Die ökonomische Notwendigkeit ihrer Arbeit wird durch ein Verbot nicht aufgehoben, sondern eher noch verschärft. Was also tun? Die arbeitenden Kinder haben konkrete Vorstellungen entwickelt, was in ihrem Leben anders und besser sein könnte. Sie fordern von den Industrieländern statt Programmen zur Abschaffung der Kinderarbeit, die sie entrechten und in die Illegalität treiben, ein Ende der Ausbeutung und der Verschuldung der Länder der 3. Welt, da die ungerechte Verteilung des Reichtums der Welt die wesentliche Ursache für ausbeuterische Kinderarbeit ist. Solange kein Paradigmenwechsel in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen vollzogen wird, dienen Programme zur Abschaffung der Kinderarbeit lediglich der Beruhigung des eigenen Gewissens.
Was kann konkret getan werden?
1. Kindermund tut Wahrheit kund - Hört auf die Kinder
Seit Ende der 70er Jahre organisieren sich arbeitende Kinder und Jugendliche. Sie müssen von internationalen Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) anerkannt werden. Sie müssen ihre Interessen vertreten und ihre Rechte durchsetzen können - lokal, national und international. Im Frühjahr 2006 veröffentlichte die ILO einen optimistischen Bericht: Das Ende der Kinderarbeit sei nahe. [3]
Auch wenn der Wunsch die Mutter des Gedankens war, enthält er doch erstmals die Feststellung, dass arbeitende Kinder und Jugendliche in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden müssen. Sie werden nicht mehr bloß zu Objekten degradiert, sondern - wenn auch zaghaft – als Subjekte mit dem Recht auf Selbst- und Mitbestimmung aufgefasst. Man fängt an, die Kinder ernst zu nehmen und damit ihre Probleme und Belange.
2. Profiteuren der Kinderarbeit an den Kragen
Jede Art von Kinderhandel, Prostitution, die Instrumentalisierung von Kindern für Kriege, Drogenhandel oder Pornographie sind Verbrechen an Kindern. Regierungen und Unternehmen wie zum Beispiel Reiseveranstalter, die Verbrechen an Kindern fördern, akzeptieren oder innerhalb ihres Einflussbereiches tolerieren, müssen sanktioniert werden. Zwischen 250.000 und 300.000 KindersoldatInnen kämpfen auf den Kriegsschauplätzen der Welt, etwa zwei Millionen KindersoldatInnen sind zwischen 1990 und 2000 in Kriegen gestorben, sechs Millionen wurden zu Invaliden.
In die BRD sind etwa 300 ehemalige KindersoldatInnen geflüchtet, ihr Fluchtgrund wird jedoch nicht anerkannt: Im Juristendeutsch heißen sie „Deserteure“ und werden lediglich geduldet. Kinderspezifische Fluchtgründe müssen ebenso anerkannt werden wie frauenspezifische Fluchtgründe für Mädchen und Frauen, die vor ihren Peinigern Schutz suchen.
3. Mit „Fairem Handel“ gegen Kinderarbeit
Wenn Erwachsene in der 3. Welt genügend verdienen, wird der wirtschaftlichen Notwendigkeit von Kinderarbeit die Grundlage entzogen. Dazu braucht es hier wie dort handlungsfähige soziale Bewegungen und starke Gewerkschaften. Der Faire Handel verbessert mit einem Aufschlag auf den Weltmarktpreis mit seinen langfristigen Handelsbeziehungen und einer Vorfinanzierung die Situation der Produzenten: Gutes Geld für gute Produkte. Fairer Handel heißt also nicht einfach nur nett sein, sondern eine gegenseitige Handelsbeziehung auf Augenhöhe zwischen gleichberechtigten PartnerInnen. Fast zumindest.
4. Kommunen kaufen Produkte ohne Kinderarbeit
Die Aufträge der Kommunen in Deutschland umfassen 360 Milliarden Euro. Mit etwa 60% aller öffentlichen Aufträge sind sie die größten Auftraggeber. In immer mehr Städten bestehen Stadtratsbeschlüsse, auf Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verzichten. So fasste die Gemeinde Rehlingen-Siersburg auf Anregung der „Aktion 3.Welt Saar” im Dezember 2005 als erste Kommune des Saarlandes einen entsprechenden Beschluss. Ein wichtiger Anfang.
Mit Kinderarbeit wird’s billig.
Im real existierenden Kapitalismus ist Kinderarbeit an der Tagesordnung. Mal offen, mal verdeckt. Ohne Kinderarbeit wäre vieles nicht so billig. Sobald aber KonsumentInnen nachfragen und keine Produkte mehr aus ausbeuterischer Kinderarbeit kaufen und soziale wie gewerkschaftliche Bewegungen Kinderarbeit zu ihrem Thema machen, kann sich etwas ändern. Ebenso richtig ist es, seitens Gewerkschaften und politischen Organisationen gegen den Billig-Wahn von Lidl & Co. vorzugehen und die massenhafte Verletzung von ArbeitnehmerInnenrechten hier und in der 3. Welt sowie die Preisdrückerei gegenüber Bauern in Deutschland zu brandmarken.
Soziale Gerechtigkeit ist nicht teilbar, weder nach Nationalgrenzen noch nach Alter. Billig hat eben seinen Preis: Ausbeuterische Kinderarbeit in der 3. Welt und die Missachtung von ArbeitnehmerInnenrechten hier. Es sind zwei Seiten einer Medaille. Die Realisierung von Kinderrechten ist ein Prozess, der in eine gesamtgesellschaftliche Utopie von sozialer Gerechtigkeit eingegliedert sein muss. Alles darunter bleibt meist ein von Mitleid getränkter Blick auf „die armen Kinder da unten.“
[1] „Stichwort BAYER“, 3/2003 und 2/2005
[2] „Stichwort BAYER Extra“, 1/2006
[3] “The end of child labour: Within reach”, ILO-Bericht, Mai 2006
Wolfgang Johann ist Mitarbeiter der „AKTION 3.WELT SAAR“, die eine Welt anstrebt, in der jeder Mensch frei von Armut, Existenznot und Unterdrückung nach seinen Vorstellungen leben kann. Zentrales Ziel ist deshalb Soziale Gerechtigkeit und ein gleichberechtigter Zugriff zu den materiellen und kulturellen Ressourcen einer Gesellschaft. Weil sie sich nicht anmaßt, andere zu entwickeln, hat sie kein Projekt in der so genannten 3. Welt. Ihr Projektgebiet heißt Deutschland. Als allgemeinpolitische Organisation äußert sie sich zu Themen wie Globalisierung, Ökologie, Ernährung, Hunger, Pop-Kultur, Asyl, Rassismus und dem neuen wie alten Antisemitismus.
Online-Flyer Nr. 90 vom 11.04.2007
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