NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

Fenster schließen

Lokales
Kölner Greenpeace zeichnet Rewe und Kaiser´s/Tengelmann aus
Pokal für giftiges Obst und Gemüse
Von Peter Kleinert

In den Kölner Supermärkten von Rewe und Kaiser’s/Tengelmann auf der Frankfurter und der Olpener Straße wurde nach Greenpeace-Untersuchungen im vergangenen Herbst giftiges Obst und Gemüse verkauft. Als Preis überreichten deshalb Greenpeace-Aktivisten den Marktleitern am Samstag den "Pokal für maximale Pestizidbelastung 2007". Für Interviews oder ein Foto mit dem Pokal wollten die Marktleiter allerdings nicht in die Öffentlichkeit treten.

Pokal Pestizidbelastung
Greenpeace-Aktivisten vor Pokal-Übergabe bei Kaiser’s in Köln
Foto: Greenpeace


Wie Toni Speier von der Kölner Greenpeace-Gruppe berichtete, waren die zulässigen Grenzwerte bei den untersuchten Proben deutlich überschritten. Beim Verzehr von Trauben und Tomaten bestand für bestimmte Personengruppen (z.B. Kinder) eine akute Gesundheitsgefahr. Vor allem Rewe, Edeka und Kaiser´s/Tengelmann hätten bei dem groß angelegten Test, der in ganz Deutschland sowie in einzelnen Supermärkten in Österreich durchgeführt wurde, sehr schlecht abgeschnitten.

Einkaufsratgeber "Essen ohne Pestizide"

"In diesen Märkten bekommt man das meiste Gift fürs Geld" fasste Toni Speier die Testergebnisse zusammen. Seine Informationen im Zusammenhang mit der Preisübergabe stießen bei Passanten und Kunden der ausgezeichneten Supermärkte auf großes Interesse. "Was kann ich denn überhaupt noch essen?", war eine oft gestellte Frage. Sie ist mit dem von Greenpeace entwickelten und vor den Märkten verteilten kostenlosen Einkaufsratgeber "Essen ohne Pestizide" durchaus leicht zu beantworten. "Biolebensmittel können klar empfohlen werden" sagt Toni Speier, "aber auch bei konventionellen Märkten haben wir deutliche Unterschiede festgestellt. Bei den Einkaufsabteilungen von Aldi und Lidl hat die Gesundheit der Verbraucher offensichtlich einen höheren Stellenwert, als bei Edeka, Rewe und Kaiser´s/Tengelmann."

Durch Druck Veränderungen möglich - Beispiel Lidl

Dass sich unter dem Druck von Umweltorganisationen und Verbraucherschützern in den Supermärkten durchaus etwas ändern kann, zeigt vor allem das diesjährige Abschneiden von Lidl. Bei einem von Greenpeace durchgeführten Test auf Pestizide in Obst und Gemüse im Jahre 2005 schnitt Lidl noch am schlechtesten ab. NRhZ berichtete darüber in Nummer 21. Inzwischen verlangt offenbar die Einkaufsabteilung bei Lidl von ihren Lieferanten ausdrücklich pestizidarme Ware. Und das mit Erfolg - wie der aktuelle Greenpeace-Test zeigt.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de


"Wir hoffen, dass auch andere Supermärkte die Kundenwünsche ernst nehmen und sich künftig im positiven Sinne mit pestizidarmer Ware profilieren, anstatt Obst und Gemüse anzubieten, das maximale Pestizidwerte enthält - und die höchst zulässigen Mengen auch immer öfter überschreitet", erklärte Speier. Ein Verbraucherinformationsgesetz, durch das Behörden verpflichtet werden, die Hersteller und Vermarkter von gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln klar zu benennen, sei längst fällig. Mehr Öffentlichkeit in diesem Bereich führe auch ohne höhere Kosten zu deutlichen Verhaltensänderungen bei "schwarzen Schafen" der Lebensmittelhersteller. Dies belegten Beispiele aus Dänemark und England. Dort würden nämlich ertappte Betriebe mit einem Smiley gekennzeichnet und zwar an der Eingangstür, wo es für alle Kunden sofort sichtbar ist. "Käuferbewegungen, die in der Kasse zu spüren sind, haben die Händler noch immer am meisten zur Berücksichtigung von Kundenwünschen bewegt."

Interner Großhandelsbericht bestätigt Greenpeace

Wie am Montag bekannt wurde, hat ein interner Bericht aus der Handelsbranche die Untersuchungen von Greenpeace inzwischen bestätigt. "Jetzt kann die Branche die Pestizidbelastung nicht mehr runterspielen. Ihre eigenen Zahlen belegen, dass sie in großem Umfang schlechte Ware verkauft und laufend gegen das Lebensmittelgesetz verstößt", sagte dazu Manfred Krautter, Chemieexperte von Greenpeace in Hamburg. Greenpeace plane nun Anzeigen gegen die Handelsunternehmen wegen vorsätzlichen Betrugs, weil die Vorwürfe der Organisation bislang heruntergespielt oder bestritten wurden.

Der interne Bericht des Großhandels belege für 2006, dass der Verband 3856mal konventionell angebaute Ware von Mitgliedsunternehmen, die nach Baden-Württemberg und in die angrenzenden Bundesländer liefern, untersucht habe. Laut Handelsverband wurden dabei die Pestizidgrenzwerte bei 12 bis 14 Prozent der Tafeltrauben, Birnen, Pfirsiche und Kopfsalate, bei 21 bis 24 Prozent der Papaya, Zucchini, Endivien- und Lollosalate und bei 32 bis 38 Prozent des Romana Salats, Dills oder Suppengemüses überschritten. In den 958 vom Großhandel geprüften Proben aus Bio-Anbau wurden hingegen nur 0,7 Prozent Überschreitungen festgestellt.

Dass von diesen Pestizidvergiftungen vor allem die chemische Industrie profitiert, ist auch Verbraucherminister Seehofer und dem zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bekannt. Und obwohl viele Pestizide Krebs auslösen, die Fortpflanzung beeinträchtigen und schädlich für das Hormon- oder Nervensystem.sind, haben beide Behörden bislang nichts aufgrund der Untersuchungsergebnisse von Greenpeace unternommen. Eine Anfrage der NRhZ dazu wurde bis Redaktionsschluß nicht beantwortet.

Wichtige Einkaufstipps gibt der Greenpeace-Ratgeber von "Essen ohne Pestizide". Er kann bestellt werden unter Tel. 040-30618-120. Weitere Informationen unter www.greenpeace.de und www.einkaufsnetz.org

Online-Flyer Nr. 84  vom 28.02.2007



Startseite           nach oben