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Arbeit und Soziales
DGB Köln: Landesregierung „Feuer unterm Hintern machen“
Rüttgers will Mitbestimmung zerschlagen
Von Hans-Dieter Hey

Die Koalition von CDU und FDP in NRW unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) will die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst erheblich einschränken. Sie hat sich damit den Widerstand des DGB wie der christlichen Gewerkschaft CDA eingehandelt. Erste Proteste kommen auch aus den Betrieben. Am  5. März findet in Köln eine erste Demonstration statt.
Jürgen Rüttgers tritt auf seiner Internetseite gern mit dem Spruch auf: "Den Menschen in unserem Land geht es wieder besser. Die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesunken." Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des DGB-Bezirks Köln - immerhin rund 160.000 - und im Land NRW - rund 650.000 - kann er nicht gemeint haben. Ziel seines neuen Angriffs sind die in den Schulen, der Universität oder Fachhochschule, bei der Polizei und in den Kliniken, bei WDR, GEZ, dem Finanzamt, der Stadtsparkasse und zahlreichen anderen Einrichtungen tätigen Menschen. Ihnen sollen die Mitbestimmungsrechte im Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) erheblich beschnitten werden. Durch vorangetriebene Privatisierungen werden deshalb nicht nur die Löhne unter Druck geraten, sondern auch die Arbeitsplätze. Denn die Mitbestimmung bei Privatisierungen fällt dann weg.

Jürgen Rüttgers – zurück ins 19. Jahrhundert?
Jürgen Rüttgers – zurück ins 19. Jahrhundert?
Collage: Hans-Dieter Hey


Verständlich, dass die Beschäftigten und Personalräte in Köln und NRW sauer sind. Werner Bering vom Versorgungsamt Köln über den Ministerpräsidenten: "Auf der einen Seite gibt Rüttgers vor, Moralist zu sein, auf der anderen Seite macht er uns die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kaputt". Andreas Kossiski, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Köln, macht dagegen einen von langer Hand geführten Angriff aus: "Da steckt ein Plan dahinter. Das ist Revolution von oben!" Damit kann er Recht haben, denn CDU und FDP denken seit langem darüber nach, betriebliche Mitbestimmung grundsätzlich zu stutzen, um die Gewerkschaften im Lande zu schwächen.



Statt Dank jetzt Kahlschlag bei der Mitbestimmung

Die Veränderungen sollen sich vor allem gegen die Beteiligensrechte der Personalräte richten. Bei den Betroffenen stößt dies auf völliges Unverständnis. Seit Jahren unterstützen die Personalräte die Einführung neuer Technologien, organisatorische Veränderungen oder Veränderungen der Verwaltungsstruktur. Als "Diener" des Staates sind sie diesem zu besonderer Treue verpflichtet, haben deshalb alle Veränderungen - oft zähneknirschend - mittragen müssen. Mit Nachdruck weisen sie darauf hin, dass sich gerade mit ihrer Unterstützung die Verwaltung in Köln zu einer hocheffizienten Organisation entwickelt habe, die sich mit der „freien Wirtschaft“ durchaus messen lassen könne. Diese ganze Entwicklung sei nur durch Unterstützung durch der Personalräte möglich gewesen. Denn schließlich sei es notwendig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Veränderungen zu gewinnen. So sind es vor allem auch die Personalräte, die auf eine bessere personelle und technische Ausstattung der Behörden drängen, damit die Bürgerinnen und Bürger effizient versorgt werden können. Und diese Unterstützung bei Veränderungen soll nun durch die Einschränkung der Freistellungen der Personalräte um gut fünfzig Prozent reduziert werden. Man will, dass sie wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren - erfahrungsgemäß auf Kosten anderer Arbeitsplätze. So die Personalräte.

Wolfgang Uellenberg-van Dawen
Wolfgang Uellenberg-van Dawen
Fotos: Hans-Dieter Hey


Was sie besonders auf die Palme bringt, ist, dass der Dank für ihre Unterstützung nun die Abschaffung der Mitbestimmung bei Kündigungen oder Versetzungen sein soll. Eine Überprüfung der Gleichbehandlung, sozialer Gesichtspunkte oder der Qualifikationen bei personellen Einzelmaßnahmen wird es nach Rüttgers' Gesetzesänderung ebenso nicht mehr geben. Fast vollständig sollen auch die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte bei Arbeitszeitregelungen, Mehrarbeitsausgleich, der Arbeitsplatzbewertung oder bei Arbeitnehmer-Überlassungsverträgen geben. Entscheidungen von Vorgesetzten sind künftig durch die Personalräte nicht mehr überprüfbar. Selbst Einschränkungen beim ohnehin als "Papiertiger" bezeichneten Datenschutz soll es geben. Und vieles, was vorher in gemeinsamen Gesprächen geklärt werden konnte, wird durch diese Änderungen nun im Klageweg stattfinden müssen. Die öffentlichen Arbeitgeber können daher von einer Fülle von Klagen vor den Arbeitsgerichten ausgehen, und man rechnet mit öffentlichem Chaos. Davon geht jedenfalls der DGB aus.

Statt Abnicken der Gesetze nun Widerstand

Kölns DGB-Chef Wolfgang Uellenberg-van Dawen bezeichnete die Vorstellungen der Landesregierung am Freitag in einem Pressegespräch als „Kommandowirtschaft des öffentlichen Dienstes“. Sie wolle wieder zum obrigkeitsstaatlichen Denken zurückkehren. Er stelle sich Jürgen Rüttgers deshalb mit einer Pickelhaube aus dem 19. Jahrhundert vor. Nicht vorstellen kann er sich allerdings, dass die Landesregierung mit diesen Kahlschlagänderungen beim Landespersonalvertretungsgesetz durchkommen werde. Ein sondierendes Gespräch mit dem DGB hat die Landesregierung schon abgelehnt. Mit seiner Bewertung der Situation befindet sich der DGB im gleichen Boot mit der CDA, der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft aus dem Hause CDU. Inzwischen liegen zum Gesetzentwurf immerhin schon 200 Änderungsentwürfe vor. Man gibt sich kämpferisch und will öffentlich Druck aufbauen. "Dazu ist es wichtig" - so Uellenberg-van Dawen - "in die Öffentlichkeit zu gehen und die Beschäftigten zu informieren. Man muss ordentlich Feuer unterm Hintern machen, damit sie die Finger davon lassen."

Protestresolution der WDR-MitarbeiterInnen

Die betroffenen ArbeitnehmerInnen scheinen dazu bereit. In einer von der Kölner Monopolpresse nicht veröffentlichten Resolution an Rüttgers und die Mitglieder des Landtags, die sie zum Thema auf ihrer jüngsten Personalversammlung beschlossen, erklären die MitarbeiterInnen des WDR: „Die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist ein hohes Gut, das zu schützen und weiter zu entwickeln ist. Wir protestieren gegen die Pläne der Landesregierung, die Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen, und somit auch im WDR, bei personellen Einzelmaßnahmen und allen Technologie- Organisations- und Privatisierungsangelegenheiten einzuschränken.

Die Landesregierung will Personalräte entmündigen, um den geplanten Stellenabbau zu beschleunigen. Demokratie und Mitbestimmung sind aber keine Angelegenheiten, die nach Kassenlage entschieden werden dürfen! Wir brauchen auch zukünftig eine starke und qualifizierte Interessenvertretung der Beschäftigten im WDR. Demokratischer Rundfunk braucht demokratische Rechte auch für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

Demonstration zu Parteibüros von CDU und FDP

Was der "Kölner Stadtanzeiger" in seiner Samstagsausgabe zu diesem Thema auch nicht berichtet hat: Eine Protestveranstaltung und Demonstration zur Verteidigung der Mitbestimmungsrechte soll am 05. März 2007 von 14 bis 16 Uhr in den Sartory-Sälen, Friesenstraße 44-45 stattfinden - mit anschließender Demonstration zu den Parteibüros von CDU und FDP. Treffpunkt Friesenplatz, 16 Uhr.


Online-Flyer Nr. 82  vom 14.02.2007



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