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Aktueller Online-Flyer vom 23. April 2024  

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Lokales
Wuppertal diskutiert über die braune Vergangenheit eines Wohltäters 
Hitler hat ja auch die Autobahnen gebaut
Von Karl Schem

Nach Jahren des Vertuschens und Schönredens der nationalsozialistischen Verquickungen ihres Ehrenbürgers Eduard von der Heydt stellt sich die Stadt Wuppertal endlich dieser weitgehend unaufbereiteten Vergangenheit. Am Samstag fand ein mehr als sechsstündiges Symposium über den Namensgeber des einzigen Kulturpreises der Bundesrepublik statt, der - aus Steuermitteln bezahlt - den Namen eines aktiven Nazis und  Antisemiten trägt.

August von der Heydt - Bild von Kees van Dongen
August von der Heydt auf einem Bild von Kees van Dongen
Foto: v.d. Heydt-Museum


Ehemals geheime Dokumente aus den USA spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle. Dabei geben diese Dokumente in Form von FBI-Akten und -Telegrammen über von der Heydts NSDAP-Mitgliedschaft und seine Schweizer Aktivitäten für die Nazis und deren Auslandsgeheimdienst ausführlich Auskunft.

Telegramm
Foto: NRhZ-Archiv

Bruch und Kontinuität zugleich

Zum Schluss gab es immerhin einen überraschenden Vorschlag, der auf breite Zustimmung der Symposionteilnehmer stieß: Künftig solle es heißen „Kulturpreis der Stadt Wuppertal“ - wie von der Lasker-Schüler-Gesellschaft und ihrem Vorsitzenden Hajo Jahn gefordert - aber mit dem Zusatz „ehedem Eduard von der Heydt-Preis“. Das wäre, so Jahn, Bruch und Kontinuität zugleich. Künftige Generationen könnten durch eine solche Konstruktion veranlasst werden, diese Bezeichnung zu hinterfragen.

Die FBI-Unterlagen, veröffentlicht auf der Homepage der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, besagen u.a., dass der umstrittene Namensgeber des Wuppertaler Kulturpreises bereits 1930 aus der NSDAP ausgetreten ist. Also muss er bereits vor der Machtergreifung eingetreten sein. Bislang war nur bekannt, dass er 1933 Mitglied der Nazipartei geworden war. Daß ein Bild aus der Sammlung Eduard von der Heydts, nämlich ein Werk des Malers Adolf Menzel, bereits an jüdische Erben zurückgegeben werden musste, legt den Schluß nahe, dass auch weitere Exponate nicht korrekt erworben sein könnten. So wies in der Veranstaltung Wuppertals Stadtarchivar Dr. Uwe Eckardt darauf hin, dass die Zuordnung eines Manet-Bildes aus der von der Heydt’schen Sammlung umstritten sei.

Eduard von der Heydt - Im Safe seiner Bank
Eduard von der Heydt - Im Safe seiner Bank
Foto: Archiv Haus der Wannsee-Konferenz

Spuren der Vergangenheit

"Preiswürdig? Die Stadt Wuppertal und der Eduard von der Heydt-Preis". Unter diesem Titel fand das Symposium ausgerechnet in der „Begegnungsstätte Alte Synagoge“ statt. Dort hatte einst die prächtige Synagoge der Elberfelder Juden gestanden, bis sie von den Nazis abgefackelt wurde. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wollten Rat und Verwaltung der Stadt Wuppertal auf dem Gelände ein Parkhaus errichten, bis ihnen ein WDR-Bericht klarmachte, dass damit die Faschisten im Nachhinein noch triumphiert hätten, denn gerade die wollten die Gotteshäuser der Juden für Parkplätze platt machen. Parkhäuser kannte man damals ja noch nicht. Später wollten Priester der beiden christlichen Kirchen in Wuppertal die "Begegnungsstätte", die noch eine Bauruine war, als katholischen "Breuersaal" einweihen. Singen sollte der renommierte Knabenchor "Kurrende", der während der NS-Zeit auch Nazilieder anstimmte. Wieder war es eine Rundfunkreportage, die die Stadtoberen zähneknirschend zum Einlenken und Verschieben des Termins zwang. Die bereits eingeladenen Ehrengäste Johannes Rau, Ministerpräsident, und Ignatz Bubis, Präsident des Zentralrats der Juden, mußten aus- und zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingeladen werden, bei dem dann korrekt ein Rabbiner und ein Kantor im Mittelpunkt der Eröffnungsfeier standen.

Wer so unsensibel mit seiner Geschichte umgeht wie ein Teil der Wuppertaler, den bringen auch keine noch so belastenden Enthüllungen über einen Mäzen und Philantropen so schnell zu Einsicht und Umdenken. Eduard von der Heydt, "Weltbürger" aus dem Tal der Wupper, international renommierter Kunstsammler mit Schweizer Pass, war doch bislang der große Wohltäter, dem ihre Stadt ein wertvolles Grundstück, eine millionenschwere Kunststiftung und eine unschätzbare Bildersammlung verdankt. Am Image dieses Mannes zu kratzen, das war bislang Nestbeschmutzung. Nicht die Nachricht, sondern der Überbringer war schlecht.

Ehrungen erkauft

Um in den Genuss seiner Schenkungen zu kommen, hatten die Ratsmitglieder in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts den Bankier Eduard von der Heydt mit Ehrungen überhäuft. Oder schärfer formuliert: Die Kommune hat sich wie eine Hure verhalten, bezahlt von einem reichen Nazi und Antisemiten, der sich so nachträglich Reputation erkaufen konnte. Die willfährigen Stadtverordneten, unter ihnen Gegner und Opfer der Nationalsozialisten, aber auch ehemalige Parteigenossen Hitlers, machten in Unkenntnis der NS-Verquickungen ihres Objekts der Begierde denselben zum Ehrenbürger.


Damit nicht genug, organisierten sie für ihn das Große Bundesverdienstkreuz, hängten ihm obendrein eine Art Stadtmedaille um (die später wg. der Nazivergangenheit auch dieses Namensgebers dem "Ehrenring der Stadt" weichen musste) und gaben dem Städtischen Museum - dem Baron zu Liebe - den Namen seiner Familie. Wenn einem so viel Gutes widerfährt, darf ihm auch niemand die Maske herunterreißen. Denn wer viel Gutes tut, der kann, der darf ja nicht unmoralisch sein. - So ähnlich hatten ja auch die Bundesbürger in der bigotten Aufbauzeit der Bundesrepublik Hitler verteidigt, „dem Deutschland doch immerhin die Autobahnen verdankt“, wie Ewiggestrige noch heute Verbrechen gegen vermeintliche Verdienste aufwiegen. Ohne Eduard von der Heydt und seine Sammlung wäre das von der Heydt-Museum eine Provinzbagatelle. Davor scheint man sich zu fürchten, denn die Debatte um die Restitution von Raubkunst hat in Deutschland gerade erst begonnen.

Die Sünden der Väter

Von mehrfachen "Skandalen" sprach denn auch der Soziologe und Forschungsanalytiker Christian Schneider, Privatdozent an der Universität Kassel, in seiner „Generationsgeschichte des Nationalsozialismus“. Für den Referenten ist der Wuppertaler „Preis des Nazis“ (Bild am Sonntag) symptomatisch für die Skandale der frühen Bundesrepublik: Da ist als Ausgangsskandal der Nationalsozialismus überhaupt. Nach dem Ende der NS-Diktatur gab es den Skandal der Integration der Täter und die "Unfähigkeit zu trauern" (um die Opfer des Holocaust), wie ein berühmtes Buch von Alexander Mitscherlich im Vorfeld der 68er Bewegung hieß. Erst das Aufbegehren der Täterkinder gegen die Gefühlskälte der Elterngeneration habe zu einem Umdenken geführt, das noch bis heute nachwirke, wie die Diskussion in Wuppertal zeige.

Der Historiker Uwe Eckardt zitierte in seiner Eigenschaft als Direktor des Wuppertaler Stadtarchivs nüchtern aus den Protokollen von Rats- und Ausschußsitzungen, die klar belegten: Die damaligen Entscheidungsträger hatten keine Informationen von den Geldtransfers aus Hitler-Deutschland über die Schweizer Konten des Barons nach Amerika in die Taschen deutscher Spione. Vielleicht wollten sie es auch gar nicht wissen, denn "ihre Entscheidungen für die Ehrungen des Freiherrn von der Heydt fielen in die 50er Jahre, die eine Zeit der Verdrängung waren", so Christian Schneider. "Es war die Zeit des Wiederaufbaus und der Schlußstrich-Mentalität. Es gab jetzt zwar Demokratie, aber nicht alle Politiker waren Demokraten."

Die Geschäfte des Bankiers

Enthüllt worden waren die Geschäfte des "Bankiers der Nazis" von Detlef Bell. Bereits Mitte der 90er Jahre hatte er für seine Magisterarbeit an der Universität Bochum die Biografie des Wohltäters seiner Heimatstadt Wuppertal gewählt, offenbar fasziniert von der schillernden Person dieses Mannes, der aus einer deutschnationalen Bankiersfamilie stammte - sein Vater August brachte es immerhin zum preußischen Minister - und vielleicht auch getrieben war, die Familienehre hochzuhalten oder als letzter seines Stammes ein bleibendes Denkmal zu schaffen in Form seiner Donationen für verschiedene internationale Museen.

Sieben Jahre mussten vergehen, ehe Bell Auszüge seiner Arbeit in der offiziellen Museumsfestschrift "Die Von der Heydts. Bankiers, Christen und Mäzene" veröffentlichen konnte. Da ließ sich nachlesen, dass der "Philantrop" 1926 in den rechtsreaktionären Stahlhelmbund und 1933 (in Holland) in die NSDAP eingetreten war, daß er Bilderdeals machte mit Propagandaminister und Kunstdieb Josef Goebbels oder mit Außenminister Joachim Ribbentrop.

Als er die deutsche Staatsangehörigkeit gegen die Schweizer eintauschte, konnte er den darauf folgenden Rausschmiss aus der Nazipartei in einen honorigen Austritt umwandeln - dank seiner guten Beziehungen. Postwendend trat er in den "Bund treuer Eidgenossen nationalsozialistischer Weltanschauung" ein. Doch bei der aktuellen Diskussion vor annähernd 100 Wuppertaler Bürgern, darunter Stadtverordnete, Professoren und Künstler, umschiffte Bell die Nazibeziehungen des Barons elegant, so daß manche Besucher sich bereits in einer Alibiveranstaltung wähnten, obwohl die Hausherrin Ulrike Schrader in ihrer Eingangsrede bereits für Klarheit gesorgt und das Problem beim Namen genannt hatte.

Kein Mitläufer, sondern eindeutig Täter

Eindeutig auch die Position des  Schweizer Historikers und Journalisten Dr. Thomas Buomberger, der nüchtern auf die 23tätige Untersuchungshaft von der Heydts hinwies, der dann in einem geheimen Militärprozess in der Schweiz allerdings freigesprochen worden war: Freigesprochen, weil spätere Geldgeschäfte und weitere Vergehen in den Archiven schlummerten, die auch in der Schweiz 30 Jahre lang gesperrt sind. Buomberger redete Tacheles: Für ihn war und ist Eduard von der Heydt kein "Mitläufer", wie viele in Wuppertal die Vergangenheit des Mannes schönreden, der von den Idealen der nationalsozialistischen Rassenpolitik begeistert war: "Von der Heydt war ein Täter!" 

Dieser Meinung scheint sich inzwischen auch das offizielle Wuppertal anzunähern. In dem am Tag des Symposions (Samstag, 10. Februar) erschienenen Bericht der Wuppertaler Monopolzeitung "WZ" wurden zwar einmal mehr die Namen der prominenten Wuppertaler verschwiegen, die sich schon lange für eine Namensänderung des Kulturpreises aussprechen, darunter der ehemalige Universitätsrektor Prof. Dr. Siegfried Maser, der CDU-Kommunalpolitiker Ulrich Föhse, der Geschäftsführer der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Werner Zimmermann, die Gattin des Ehrenbürgers Wilfried Penner, Katharina Penner, der Ex-Landtagsabgeordnete und Chefarzt Prof. Dr. Heinz Engelhard und der ehemalige Gersamtbetriebsratsvorsitzende der WZ, der spätere SPD-Stadtverbandsvorsitzende und deutsche Botschafter in Israel, Rudolf Dressler. Dieser hatte bei einer Aktion der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft - die inzwischen mehr als 500 Unterschriften für eine Namensänderung gesammelt hat - angemerkt: "Wuppertal darf sich keine Verdrängung erlauben".

Unterschrieben haben auch vier ehemalige Preisträger, die ebenso wie ihre Vorgänger Alice Schwarzer, Tom Tykwer oder Heinrich Böll und Pina Bausch, nichts über die braune Vergangenheit des Namensgebers von der Heydt wußten, weil ihnen niemand etwas dazu gesagt hatte. Auf der anderen Seite verstieg sich Wuppertals Kulturdezernentin Marlis Drevermann, SPD, die nach den ersten beiden Referaten bereits die Begegnungsstätte verlassen hatte, zu der Meinung, daß eine Namensänderung die bisherigen Preisträger ebenso wie die Ratsmitglieder von damals desavouieren würde. Ganz anders CDU-Oberbürgermeister Peter Jung: Im erwähnten Zeitungsartikel wird er zitiert, daß der Preis 2007 nicht vergeben werde.  

Sieg der Einsicht

"Der Erfolg hat viele Väter", freute sich Hajo Jahn, der die Debatte vor mehr als einem Jahr ausgelöst und weitergetrieben hatte. Er war dadurch heftigen Angriffen und Pöbeleien ausgesetzt, weil er die anrüchige Vergangenheit des Barons im Wuppertaler Rathaus öffentlich gemacht hatte, als er den "Rheinlandtaler" des Landschaftsverbandes Rheinland überreicht bekam (siehe u.a. NRhZ 38 und 70). Die Kritiker warfen ihm vor, die Stadt, den Mäzen und den Preis beschädigt zu haben. Er hätte besser unter vier Augen mit dem Oberbürgermeister oder der Kulturdezernentin reden sollen. "Aber“, so Jahn, "da hätte ich doch sehr wahrscheinlich nur zu hören bekommen, was danach in allen offiziellen Statements behauptet wurde: Das sind doch bekannte Dinge." Wenn man bedenke, dass die angeblich "ollen Kamelle" seit der Erstveröffentlichung von Detlef Bell und einer Publikation im Else-Lasker-Schüler-Almanach "In meinem Turm in den Wolken" im Jahr 2002 bekannt waren, könne man sich leicht ausrechnen, dass solche Vermutungen nicht unberechtigt seien. Doch nun scheine die spät in Gang gekommene Diskussion zu einem Umdenken zu führen. Dies sei kein Triumph, sondern ein Sieg der Einsicht, der weiteren Schaden von der Stadt fernhalten werde, hieß es im Anschluss an die Diskussion nicht nur bei den Mitgliedern der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft.

Die NRhZ wird in ihrer nächsten Ausgabe ausführlich über die in der Veranstaltung nur mit einem Satz erwähnten FBI-Dokumente über von der Heydt berichten. Die Redaktion.


Online-Flyer Nr. 82  vom 14.02.2007



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