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Lokales
"Das süße Gift staatlicher Zuwendungen entziehen!"
Wer verliert, wer gewinnt
durch die Oppenheim-Bank?
Von Werner Rügemer - Teil II

Nach US-amerikanischem Vorbild betätigt sich die Kölner Oppenheim-Bank auch im Bereich "Mergers and Acquisitions", also beim Kauf und Verkauf von Unternehmen. Dazu gründete man unter der Ägide des verstorbenen Alfred von Oppenheim die Beteiligungsgesellschaft Argantis GmbH. Der Kunst und Kultur fördernde Freiherr hat immer Wert darauf gelegt, auch seine Bankaktivitäten in einem kulturvollen Licht, im Schein des klassischen Abendlandes leuchten zu lassen.

Apollon, Amorgos und Kitos heißen andere Vermögensverwaltungs- und Beteiligungsgesellschaften der Bank, auch Uranos, Limnos, Mikonos, Poseidon und Neptuno. Die Vielfalt dieser wertvollen, Werte schaffenden Einrichtungen können wir hier nicht würdigen. Bleiben wir bei Argantis.

Von dieser Beteiligungsgesellschaft haben der gemeine Kölner, die gemeine Kölnerin und wohl auch ihr klassisch verbildeter Oberbürgermeister noch nie etwas gehört. An keinem Bankgebäude ist ein Schild mit dem Namen Argantis angebracht. Trotzdem herrscht reges Treiben in den Büros in der Breite Strasse 80. Die Argantis-Mitarbeiter kaufen mit den vielen frischen fünf oder fünfzig Millionen flüssig aufwärts ihrer Kunden erfolgreiche mittelständische Familienunternehmen. Der "Verwertungszyklus" beträgt maximal sieben Jahre. Den anonym bleibenden Investoren ermöglicht Argantis eine "Rendite von mehr als 20 Prozent jährlich".

Die rot-grüne Regierung half hier kräftig mit: Eigentümer können ihre Unternehmen oder Teile davon verkaufen, und auf diese Gewinne brauchen sie keine Steuern zu zahlen. Argantis kauft und geht dann an die "Restrukturierung", wie es heißt. Argantis gibt den Topmanagern Anteile des aufgekauften Unternehmens und zu ihrem erhöhten Gehalt noch Erfolgsprämien. Mit den Anteilen und Prämien werden die Grausamkeiten belohnt, die vor allem darin bestehen, Leute zu entlassen, die Löhne der Verbliebenen zu senken, Bereiche ins Ausland zu verlagern und was der bewährten Maßnahmen mehr sind.

Während des "Restrukturierungs"- beziehungsweise "Verwertungszyklus" herrscht unter den Beschäftigten der aufgekauften Unternehmen ein Angstregime. Bei den fleißigen Topmanagern dagegen herrscht fleißige Freude. Am Ende des Zyklus verkauft Argantis das "verschlankte" Unternehmen mit Gewinn. Auch dieser Gewinn braucht nicht versteuert zu werden. So entstehen die 20-Prozent-Renditen der Anleger.

"Klassenkampf in Deutschland"

Ähnlich verfährt die Bank beim Kauf und Verkauf von Aktien. Im Juli 2004 kündigte der Vorstand von DaimlerChrysler an, die Beschäftigten in Baden-Württemberg müssten auf 500 Millionen Euro Lohn verzichten, und zwar jährlich. Die Arbeit der Bank bestand darin, diese Ankündigung durch ihren Aktienanalysten Michael Raab zu begrüßen und im Sinne ihrer Kunden zu begründen: "Das von Mercedes-Chef Hubbert ausgerufene Ultimatum, gegebenenfalls 6.000 Jobs zu verlagern, zeigt die Bereitschaft zur Eskalation." Denn Eskalation, Ultimatum, Drohung gegen die Beschäftigten sind gut für die Gewinn- und Aktienkurswicklung "in Richtung des fairen Wertes bei 42,50 Euro", hieß es in Oppenheims zweiter Lieblingszeitung, der "Welt". Für jeden der 140.000 Beschäftigten bedeutet dieser "faire Wert" der Aktie einen Verlust von etwa 4.000 Euro jährlich, für die Argantis-Kunden je Aktie eine Steigerung von 6,80 Euro. Wer also 100.000 Daimler-Aktien im Depot hält, kann mit einem Gewinn von 680.000 Euro rechnen.

Mit Bezug auf den Oppenheim-Analysten schrieb die "Welt" weiter: "Es herrscht Klassenkampf in Deutschland. Kapital gegen Arbeit. Allerorten versuchen die Wirtschaftslenker, das Machtgefüge zu Lasten der Gewerkschaften zu verschieben...und die Gewinne nach oben zu schrauben. Die teilweise Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche bei Siemens war der Dammbruch, jetzt folgt bei DaimlerChrysler der nächste Schlag."

Bis zu seinem Tod war Oppenheim langjähriger Präsident der Industrie- und Handelskammer Köln. Deren Neujahrsempfänge nutzte er für Aufrufe zur Umkehr. "Unsere Wirtschaft", appellierte er, brauche noch mehr befristete Arbeitsverträge, noch weniger Mitsprache der Betriebsräte, noch schnellere Kündigungen. Notwendig seien "Einsparungen bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung". Den Bürgern müsse das "süße Gift staatlicher Zuwendungen entzogen" werden. Es sei "höchste Zeit, die Gesellschaft auf ein langjähriges Entzugsprogramm einzustellen." Allerdings nicht für die "Gesellschaft". Für die wenigen, für die er alles tue, versprach der Verstorbene hohe Gewinne, ab zwanzig Prozent jährlich aufwärts.

Rot-Grün: "Unsere Regierung"

Um ein solches Programm durchsetzen zu können, braucht man Helfer. Die neue rot-grüne Regierung sei "unsere Regierung", hat Juniorchef Graf von Krockow bereits ein Jahr nach deren Amtsantritt gelobt: "Die machen ihren Job richtig gut, die machen alles richtig." Diese Feststellung stand im dritten Lieblingsblatt Oppenheims, im "Kölner Stadt-Anzeiger", herausgegeben von einem der von der Bank betreuten Kunden, Verleger Alfred Neven DuMont. Und weil der Verstorbene im Aufsichtsrat des "Stadt-Anzeiger"-Verlages über Pressefreiheit wachte, waren die Redakteure auch ohne besondere Aufforderung darauf bedacht, ihn und seine Mitarbeiter korrekt zu zitieren und keine falschen Kommentare anzufügen.

Doch nicht nur die rot-grüne Regierung machte "alles richtig". Das tat auch die Bank, schon vorher. Am 25. September 1998 richtete sie in Absprache mit einem gewissen Moritz Hunzinger ein Wertpapierdepot ein, und zwar für einen gewissen Rudolf Scharping. Das geschah zwei Tage vor der Bundestagswahl. Auf das Konto des zukünftigen Verteidigungsministers überwies der Hunzinger 80.000 Mark als Anfütterungssumme. Hunzinger, ein insbesondere im Rüstungsmilieu fleißiger Beziehungsmakler, hat der Bank schon manchen Kunden zugeführt.

Scharpings Rendite: 47,18 Prozent

Der Scharping wurde in die schalterlose Kundenschar der Bank aufgenommen, obwohl er doch aus dem eher fremden Milieu der Sozialdemokratie kam. Und obwohl er nur 80.000 Mark mitbrachte statt der sonst erforderlichen fünf Millionen flüssig aufwärts. Und obwohl er auch diese kümmerlichen 80.000 nicht einmal aus der eigenen Tasche einzahlte. Eine solche Ausnahme konnte nicht grundlos sein.

Ein gutes Jahr später konnte der zuständige Graf Clemens von Wedel vom Oppenheim-Privatkundenbereich dem Hunzinger mitteilen: "Lieber Moritz, möchte Dir nur ein Zwischenergebnis bezogen auf Herrn Scharpings Depot geben. Für die 409 Tage seit Anfang 1999 beträgt das erwirtschaftete Ergebnis 47,18 Prozent." In der Tat: 47,18 Prozent in 409 Tagen sind eine "gesunde Rendite", sozusagen eine Minister-Rendite. Einige Zeit nach der Erfolgsmeldung hat der Depotinhaber als Verteidigungsminister den Vertrag unterschrieben, der in die Interessensphäre der Bank fiel. Sie bekam mit fünf weiteren Banken den Auftrag, Grundstücke, Krankenhäuser, Flugplätze und Universitäten der Bundeswehr zu privatisieren. Gesamtwert etwa 10 Milliarden Euro.

Gute Beziehungen zu dem lange Zeit eher fremden Milieu der Sozialdemokraten hatte die Bank des Verstorbenen auch schon vorher angebahnt. Am 23. April 1998 konnte sie bekannt geben: "Der Kölner Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier, der mit Ablauf des 22. April 1998 wegen des Endes seiner Amtszeit aus seinem Amt ausscheidet, tritt in die Geschäftsleitung der Oppenheim-Esch-Holding ein. Ruschmeier wird gleichberechtigter Geschäftsführer neben Matthias Graf von Krockow und Josef Esch. Die Oppenheim-Esch Holding ist geschäftsleitende Holding für verschiedene Tochterunternehmen, in deren Geschäftsführung Ruschmeier ebenfalls eintritt."

Ruschmeiers erfolgreiche Qualifikation

Am ersten Tag also nach dem Ende seiner Amtszeit als Kölner Oberstadtdirektor trat der genannte Ruschmeier als mehrfacher Geschäftsführer in die größte Privatbank Deutschlands ein. Dafür hatte er sich natürlich zuvor qualifizieren müssen. Der Genosse hatte als Oberstadtdirektor zwei Milliardenprojekte betrieben. Erstens den später durch den Korruptionsskandal weltweit bekannt gewordenen Kölner Müllofen. Dabei war die Bank noch nicht zum Zuge gekommen, obwohl dieses erste große Privatisierungsprojekt von der Größenordnung her gut zu ihr gepasst hätte. Den 25 Jahre laufenden Milliardenkredit für den überdimensionierten Ofen durften aber die Kölner Stadtsparkasse, die Kreissparkasse und die Westdeutsche Landesbank geben, also, um mit Oppenheim zu sprechen, "öffentliche Anstalten", bei denen der Plebs mit weniger als fünf Millionen flüssig seine Konten hat. Beim zweiten Milliardenprojekt des Ruschmeier kam die Oppenheim-Bank zum Zuge.

Es ging um die Köln-Arena, eine neue Mehrzweckhalle. Sie sollte die modernste Europas werden, eine weltliche Attraktion für die Stadt, die vom Dom allein nicht mehr leben kann. Die aufwändige Halle mit 18.000 Plätzen - geeignet für Auftritte der drei Tenöre, für kölschselige Rockgruppen, für Karnevalsfeste, Eishockey-Spiele ebenso wie für Aktionärsversammlungen der Telekom - hätte sich finanziell alleine nicht getragen. Also setzte sich der Genosse Oberstadtdirektor ein lohnendes Konzept ein: Um die Halle herum solle ein kreisförmiges Rathaus gebaut werden. Die Stadt brauche ein solches und hier sei der ideale Standort. Für dieses in der Welt erst- und einmalige Doppelprojekt einer mit einem Rathaus kombinierten Veranstaltungshalle gründete die Oppenheim-Bank eine eigene Immobiliengesellschaft. Sie ließ die Arena und das Rathaus bauen und vermietete das Rathaus an die Stadt.

Ruschmeier unterschrieb für die Stadt einen dreißig Jahre laufenden Mietvertrag mit der Bank. Der Vertrag, so erfuhren die KölnerInnen später, beinhaltet eine bis ins Jahr 2028 steigende Staffelmiete. Die Stadt muss alle Reparaturen am Rathaus selbst bezahlen. Die Stadt muss bis zum Jahre 2028 die Miete für die 2.900 Parkplätze zahlen, auch wenn die, was sie nicht selten tun, leer stehen. Die Stadt wirbt bei ihren Angestellten ja für das jobticket, damit sie in der städtischen Straßenbahn zur Arbeit kommen. Außerdem stellte die Stadtverwaltung beim Einzug in das neue Rathaus fest, dass sie ihre Computer nicht vernetzen konnte und für die büroüblichen Leitungen 50 Millionen Mark investieren musste.

Mit dabei: Alfred Neven DuMont

Die Anmietung, auf die 30 Jahre gerechnet, erweist sich mit den Verpflichtungen im Kleingedruckten als ungleich teurer als wenn die Stadt das Rathaus selbst hätte bauen lassen. So subventioniert die Stadt die KölnArena, die sich alleine nicht tragen würde. Der Immobilienfonds, dem KölnArena und Rathaus gehören, ist ein so genannter geschlossener Immobilienfonds. Darin legten 77 Bankkunden im Durchschnitt jeweils 12 Millionen Mark an. Die 77 Anleger erhalten eine jährliche garantierte Gewinnausschüttung, und die durchschnittlichen 12 Millionen können sie als Verlustzuweisung Steuer mindernd bei Gewinnen ihrer sonstigen Unternehmungen geltend machen. So wird nicht nur die überschuldete Stadt Köln mit erhöhten Ausgaben belastet. Der ebenfalls überschuldeten Bundesrepublik Deutschland werden gleichzeitig Steuern entzogen - bis 2028.

Neben dem Bankier und seinem Sohn und Nachfolger gehörten bei Gründung des Fonds zu den 77 Inhabern von KölnArena und Rathaus auch entsprechend vermögende Oppenheim-Kunden, darunter: Vorstandsmitglieder und Inhaber von Gerling, Biofrost, LTU und des Baukonzerns Strabag, dazu der Verleger aller Kölner Tageszeitungen, Alfred Neven DuMont, Christian DuMont-Schütte, Mitherausgeber des EXPRESS, Dieter Schütte, langjähriger Partner von Alfred Neven DuMont und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Medienkonzerns. Natürlich gehörten auch Otto Wolf von Amerongen, Ehrenpräsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Zanders aus Bergisch Gladbach, Irma und Josef Esch (Esch-Fonds) mit zu dem erlauchten Kreis. Und ein gewisser Walther Leisler Kiep, auf den wir in der Fortsetzung ausführlicher zu sprechen kommen werden.

Fortsetzung folgt

Online-Flyer Nr. 04  vom 25.08.2005



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