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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Arbeit und Soziales
BAYER-Bosse, Betriebsrat und IG BCE wollen sich auf Kosten der BIS-Beschäftigten einigen
"Lasst Euch nicht unterkriegen!"  
Von Manfred Demmer

Montag, 18. Dezember, 16 Uhr: Wie seit acht Wochen haben sich vor dem Haupttor des Bayer-Chemieparks an der B 8 in Leverkusen wieder Menschen versammelt, die solidarisch an der Seite der Kolleginnen und Kollegen der Bayer/Lanxess-Tochter BIS stehen. Die Stimmung ist allerdings zunächst wenig erbaulich. Hatte doch am Freitag die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung erfahren, dass die Konzernmanager ihre Lohnraub- und Arbeitsplatzvernichtungs-Pläne weiter verfolgen, um eine "wettbewerbsfähige Aufstellung und damit verbunden die nachhaltige und langfristige Absicherung der Bayer-Service-Gesellschaft" zu erreichen, wie es in einem gemeinsamen Papier von Bayer-Vorstand und Arbeitnehmervertretung heißt.

In dieser gemeinsamen Erklärung, der auch der IG BCE-Landesbezirk Nordrhein zustimmte, wird mit keinem Wort das zur Sprache gebracht, wofür die Kolleginnen und Kollegen seit Wochen kämpfen. Lohnverzicht und Arbeitsplatzverlust werden nicht erwähnt. Dagegen wird von einem "innovativen Tarifvertrag" gesprochen, der bei BIS Anwendung finden soll, "falls dadurch ein ausreichender Beitrag zur notwendigen Restrukturierung von BIS erreicht werden kann". 

Diese Erklärung und die Haltung führender Betriebsräte und IG BCE-Funktionäre brachten die Stimmung vor Tor 1 ganz schön in Wallung. Kollegen am "Offenen Mikrophon" sprachen von einem "faulen Ei". Ein Kollege Handwerker von Lanxess schilderte, wie dort schon "innovativ" gehandelt würde: Die Arbeitszeit sei von 35 auf 40 Stunden heraufgesetzt worden, jedoch würden nur 37,5 Stunden bezahlt. Andere Kollegen machten ihre Wut und Betroffenheit mit scharfer Kritik an der Gewerkschaft deutlich. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Bayer, Thomas de Win, wurde als "oberster Seelenverkäufer" bezeichnet, und vor dem Tor kursierten Unterschriftslisten mit der Forderung nach Austritt aus der IG BCE. Viele Kollegen erklärten, dass sie sich von diesen Betriebsräten "verarscht" fühlten. Dabei wurde an deren Äußerungen auf Versammlungen zu den Forderungen der BIS-Beschäftigten erinnert, die sie nun verkauft hätten. "Die Zukunft", meinte ein Kollege am Rande der Kundgebung auf der B 8, "sieht nach dem Deal für uns nicht besser aus. Gewinner ist mal wieder das Kapital".

In weiteren Diskussionen auf der Kundgebung wurde jedoch herausgestellt, dass nur durch den Druck der aktiven Kollegen zumindest erreicht worden sei, dass der Konzern die "Aktivitäten zur Ausgliederung und Verlagerung  der Konzerns ausgesetzt" habe.  Deshalb sei weiterer Druck nötig, um auch in anderen Punkten die Unternehmerseite zu löchern und jenen Betriebsräten, "die mit dem Konzern kuscheln, Dampf unterm Hintern zu machen". Einige Basisbetriebsräte sahen es als nicht mehr sinnvoll an, in einem solchen Betriebsrat weiter mitzuwirken und erklärten, dass sie ihr Mandat niederlegen wollten. Dagegen gab es klaren Widerspruch von Kolleginnen und Kollegen. Sowohl Vertreter der Belegschaftsliste, die an der Organisierung der Proteste aktiv beteiligt sind, wie auch der Betriebsratsvorsitzende des Klinikums Leverkusen, Wolfgang Stückle und das Stadtratsmitglied der Wählergruppe LAUF, Fritz Kunkel, erklärten, dass dies keine Lösung sei: "Wer, wenn nicht Ihr, könnte dann die Interessen der Kolleginnen und Kollegen vertreten?", "Macht weiter, lasst Euch nicht unterkriegen!" und "Wer soll in der Gewerkschaft denn für eine Interessenvertretung der Arbeiter eintreten, wenn Ihr Euch abseilt?", waren wichtige Aussagen, die die Stimmung verändern halfen, so dass man am Schluss in großer Einmütigkeit aller Anwesenden beschloss, sich am Montag, 8. Januar 2007 um 16 Uhr wieder vor Bayer-Tor 1 zu treffen, um die Aktionen fortzuführen.

Zwischenzeitlich sollen die Feiertage dazu benutzt werden, neue Kraft zu tanken und über andere Aktionsformen nachzudenken. Mut machte Betriebsrat Levi Sollie aus Antwerpen, der dort bei Lanxess arbeitet. Er vermittelte positive Erfahrungen aus Belgien und stellte fest, dass man "Vereinbarungen, die einen Rückschritt bedeuten, nicht gebrauchen kann". Deshalb müsse darüber nachgedacht werden, wie der Kampf ausgeweitet werden könne. Sein Beitrag fand starken Beifall, ebenso wie die anderen, die auf eine Fortsetzung des Kampfes orientierten. Es wird sich zeigen, ob die Aktionen in  Leverkusen im neuen Jahr so weitergeführt werden können wie bisher. Nach der Stimmung am Ende der Diskussionen, spricht einiges dafür.



Online-Flyer Nr. 75  vom 19.12.2006



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