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Krieg und Frieden
Die Tradition der Mittenwalder Gebirgsjäger und Totenschänder
Was BILD nicht berichtete
von Ulrich Sander

Wann wird - neben dem aktuellen Bundeswehr-Skandal - einmal untersucht, warum an Obszönitäten und Skandalen in der Bundeswehr vor allem Gebirgsjäger beteiligt sind? Beispielsweise an antisemitischen Sprüchen seitens des KSK-Kommandanten Reinhard Günzel, ehemals Gebirgsjägeroberst in Schneeberg, von wo im Frühjahr 1996 die Videos mit Schändungsszenen ihren Ausgang nahmen. Oder der Skandal der anhaltenden hemmungslosen Wehrmachtsverehrung durch die Gebirgstruppe?

Die Gebirgsjäger sind der Teil der Bundeswehr mit besonders ausgeprägter Kontinuität von der Wehrmacht gestern zur Truppe von heute. Jahr für Jahr versichert man sich dieser Kontinuität mit dem Segen der Führung: Beim Gebirgsjägertreffen zu Pfingsten auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald. Dort wird den Kriegsverbrechen der alten Kameraden unterm Edelweiß Absolution erteilt, ja sie werden den heutigen Gebirgsjägern als Vorbild angeboten.

Höchste Bundeswehrgeneräle wie Dr. Klaus Reinhardt, Gebirgsjäger und Ex-Nato-Kommandeur auf dem Balkan, halten dort Reden wie diese: "Was zeichnet ihn denn so besonders aus, diesen Gebirgsjäger, nach dem heute alle rufen, wenn es um Standfestigkeit und Zuverlässigkeit in schwierigen Lagen geht? Warum waren bei den Auslandseinsätzen des Deutschen Heeres immer wieder Gebirgsjäger dabei?" - Das liege an den Männern aus der Kriegsgeneration. "Sie haben die Uniform wieder angezogen, um uns, der nachfolgenden Generation, das Koordinatensystem ihrer Werteordnung" weiterzugeben. Sie seien es gewesen, "die uns die zeitlosen militärischen Werte wie Pflicht, Treue, Tapferkeit und Kameradschaft vorgelebt haben." (Brendten-Rede Reinhardts von Pfingsten 2000, aus: Gebirgstruppe)

Die heute aktuell ins Gerede gekommenen aber schon ab 2003 an Leichenschändungen beteiligten Gebirgssoldaten wurden immer wieder als Elitetruppen hochgelobt. Ihre Wehrmachtsvorbilder wurden immer wieder von Regierung und Justiz vor Anklagen in Schutz genommen, obwohl Antifaschisten im Jahre 2002 198 noch lebende Gebirgsjägerveteranen gut begründet wegen Kriegsverbrechen bei der Justiz anzeigten. Von den rund eintausend Bundeswehrsoldaten, die als Wehrmachtsangehörige mutmaßlich an Kriegsverbrechen beteiligt und deshalb Untersuchungen ausgesetzt waren, wurde nicht einer rechtskräftig verurteilt. Die Verfahren gegen diese Killer wurden in den 60er Jahren meist mangels "Mordmerkmalen" und mangels Beweisen für die Mitschuld des Einzelnen eingestellt. Erst im Juli wurde in München der letzte am Massenmord der Gebirgstruppe vom September 1943 auf Kephalonia Beteiligte außer Strafverfolgung gesetzt.

Was sind das für Vorbilder, von denen Reinhardt sprach? Zu nennen wäre Oberst Max Pemsel. Er war Stabschef des Generals Franz Böhme in Serbien, hat den Befehlsentwurf für die Ermordung von 2.100 so genannten Sühnegefangenen, überwiegend Kommunisten und Menschen jüdischer Herkunft, angefertigt. Er ging als Generalleutnant und Kommandierender General der Bundeswehr in den Ruhestand. Ein weiteres Vorbild: Hermann Foertsch wurde als Kriegsverbrecher in Nürnberg angeklagt und freigesprochen, setzte als Berater der Bundesregierung und als die Wehrmacht freisprechender "Historiker" beim Institut für Zeitgeschichte in München seine Karriere fort.

Vor allem ist zu nennen Karl-Wilhelm Thilo. Thilo rühmte sich nach Kriegsende seiner Verbrechen: "Die Verschärfung des Partisanenkrieges macht es dringend erforderlich, in das Wespennest Montenegro hineinzustoßen und die Kernverbände des wachsenden kommunistischen Volksheeres in den Wurzeln zu vernichten. Die Regimenter der Edelweiß-Division durchziehen das westlich Niv gelegene Kopaonik-Gebirge, um ihre Ausgangsräume für die Operation ,Schwarz', das Ibartal bei Novi Pazar und Mitrovica zu erreichen. Wo es vereinzelt zu Zusammenstößen mit Aufständischen kommt, wird der Widerstand nach Jägerart im schnellen Zupacken gebrochen."

Derzeit lenkt die Gebirgstruppen-Führung in Mittenwald - von dort kamen die neuen Totenkopfsoldaten - ab und nennt ostdeutsche Rekruten als die Schuldigen. Doch die Geschichte der Ostausdehnung der Gebirgsjäger wird nicht erwähnt. Während bei dem Umbau und den Strukturveränderungen der Bundeswehr überall Streichungen vorgenommen wurden, sind die Gebirgsjäger davon ausgenommen worden und haben sogar Verstärkung mit dem GebJgBtl 517 in Schneeberg in Sachsen bekommen. Die Gebirgsjäger haben derart nachdrücklich auf die Ausdehnung in die ehemalige DDR gedrungen, dass es zur Schaffung des Schneeberger Bataillons kam, lange Zeit übrigens unter dem Kommando des rechtsextremen Reinhard Günzel. Das Bataillon liegt in so ungünstiger Landschaft, dass echte Gebirgsjägerausbildung nur bei Lehrgängen der Schneeberger in den Alpen möglich ist. Eben in Mittenwald.

Dort ist auch der Veteran Anton Ziegler zu Hause. Der einstige "Erste Schütze" der 12. Kompanie, erinnert sich in den uns vorliegenden Akten, wie er mit seinen Kameraden am Abend des 15. August 1943 von seinem Kompanieführer Willy Röser auf das für den nächsten Morgen angesetzte "Vergeltungsunternehmen", eingestimmt wurde. Das griechische Dorf "ist bandenverseucht und dafür muß es büßen. Alle sind niederzumachen." Das war der Befehl. Andere Ehemalige, wie zum Beispiel der damals 18jährige Otto Goldmann., erinnern sich, daß der Befehl lautete, "bei dieser Vergeltungsaktion [dürfe] niemand das Dorf lebend verlassen". Sogar der sonst so "vergessliche" Linzer Karl Delacher berichtete, daß Röser die Parole ausgab: "Niemand darf überleben, und alle sind niederzumachen."

Am Tag zuvor war in dem Dorf nicht nur das Fest zu "Marias Grablegung" begangen, sondern auch eine große Hochzeit gefeiert worden. Der Pappas Lambros Stamatis wollte im Morgengrauen sein Festgewand und die Bibel in die Kirche zurückzubringen, als die Gebirgsjäger gerade aus ihren LKW stiegen. Oberleutnant Röser streckte den Priester mit einer MP-Salve nieder. Daraufhin wurde die Ortschaft mit Granatwerfern beschossen. Wie fast alle Ehemaligen bestätigen, erfolgte keinerlei Gegenwehr. Beim anschließenden Einmarsch "wurden Handgranaten in die Häuser geworfen und durch die verschlossene Tür mit Karabiner und Maschinenpistolen geschossen". Die aus dem Schlaf gerissene Hochzeitsgesellschaft wurde samt den Kindern vor das MG des Anton Ziegler getrieben, der sie - auf Befehl des hinter ihm stehenden und ihm mit einem Kriegsgerichtsverfahren drohenden Leutnants - erschoss. Der Leutnant wurde später Lehrer in Österreich, was ihn nicht hinderte, Gedächtnisschwund vorzutäuschen. Dieser Schwund übertrug sich auf seine Untergebenen; keiner will sich an seinen Namen erinnern, der höchstwahrscheinlich lautet: Karl Derlacher.

Weiter wurde berichtet: Ein Teil der Dorfbewohner konnte über den Fluss entkommen. Viele ertranken, als die überladenen Kähne kenterten. 317 Menschen wurden in Kommeno ermordet, 172 Frauen und 145 Männer. 97 waren jünger als 15 Jahre, 14 älter als 65. 13 waren ein Jahr alt. 38 Menschen verbrannten in den Häusern, von denen 181 zerstört wurden. Viele der weiblichen Leichen wurden von den Männern um Anton Ziegler geschändet. Das Dorf wurde geplündert. Dann zogen die bis heute nicht bestraften Täter unterm Edelweiß weiter.
Und sind ihre Nachfolger als Friedensschützer in Afghanistan eingesetzt.


Online-Flyer Nr. 68  vom 31.10.2006



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