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Lokales
"M.Dumont Schauberg biegt sich erneut die Fakten zurecht"
Rechtmäßige Arisierungsprofite?
Von Eberhard Reinecke

Im Zusammenhang mit der Berufungsverhandlung in Sachen NRhZ-online gegen M. DuMont Schauberg am 31.Oktober um 12.15 Uhr beim Kölner Oberlandesgericht, Saal 153, hat der Rechtsanwalt der NRhZ, Eberhard Reinecke, eine Presserklärung herausgegeben. Sie bezieht sich unter anderem auf eine Pressemitteilung von MDS, in der behauptet wird, der Kölner Historiker und Journalist Ingo Niebel habe im Prozess zum Thema Arisierung zwischen MDS und SPIEGEL "gravierende Fehler eingestanden". Hier die Presseerklärung im Wortlaut. Die Redaktion.

Im Zusammenhang mit der Urteilsverkündung M. DuMont Schauberg (MDS) gegen Spiegel-Verlag veröffentlichte der Kölner Verlag am 5.10.2006 eine Pressemitteilung, in der es u.a. heißt: "Der 'Historiker und Journalist' Ingo Niebel, auf dessen Angaben der 'Spiegel'-Artikel fußte, hat unterdessen in einer eidesstattlichen Versicherung gravierende Fehler bei seinen Recherchen zur Geschichte von MDS eingestanden."

Selektiver Umgang mit der Wahrheit - Alfred Neven DuMont
Selektiver Umgang mit der Wahrheit - Alfred Neven DuMont
Foto: NRhZ-Archiv



Hier war der Wunsch Vater des Gedankens, denn diese Behauptung entspricht nicht dem, was Herr Ingo Niebel vor Gericht erklärt hat. Stattdessen biegt sich MDS erneut die Fakten zurecht und läßt sie über seine Medien (z.B. FR, KStA v. 6.10.06) verbreiten, obwohl der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung ein anderer ist.

Zur Vorgeschichte: Alfred Neven DuMont hatte gegen Herrn Ingo Niebel wegen der Veröffentlichungen im Spiegel eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil angeblich Herr Niebel als Informant für die Formulierungen des Spiegels haftet. Herr Ingo Niebel hatte gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt und in einer ausführlichen eidesstattlichen Versicherung, die wir als Anlage zu dieser Presseerklärung allen Medien zur Verfügung stellen, die wesentlichen Inhalte seines Vortrages am 10.02.2006 dargestellt (ab S.4 der eidesstattlichen Versicherung). Er hat dort auch dargestellt, in welchem Punkt sein Vortrag unzutreffend war (S.7 unten f.). Ob dies tatsächlich ein "gravierender Fehler" ist, mag der Leser selbst beurteilen.

Herr Niebel hat sodann in der mündlichen Verhandlung vom 07.06.2006 noch einmal ausdrücklich bestätigt, dass er bestimmte dem Spiegel vorgeworfene Formulierungen (wie z.B."Schnäppchen") nicht benutzt hat. Daraufhin wurde das Verfahren - abgesehen bezüglich des von Herrn Niebel eingeräumten Fehlers - für erledigt erklärt, d.h. die einstweilige Verfügung besteht insoweit nicht mehr.

Wir fügen die eidesstattliche Versicherung deswegen vollständig bei, weil wir der Auffassung sind, dass die dort aufgeführten Tatsachen, die von Alfred Neven DuMont und dem Verlag M. DuMont Schauberg bis heute nicht bestritten werden und gegen die keinerlei rechtliche Schritte eingeleitet wurden, schon aus sich heraus gravierend sind. Wir meinen, es kann dem Leser selbst überlassen bleiben, ob er aus diesen unstreitigen Sachverhalten die Schlussfolgerung zieht, dass die Familie Neven DuMont bzw. der Verlag M. DuMont Schauberg von Arisierungen profitiert hat oder nicht.

Rechtmäßige Arisierungsprofite? - Kurt Neven DuMont
Rechtmäßige Arisierungsprofite? - Kurt Neven DuMont
Foto: NRhZ-Archiv



Ingo Niebel erklärt dazu ergänzend: Ob dieser selektive Umgang mit der Wahrheit dem Stil entspricht, mit dem auch der Seniorchef von MDS, Alfred Neven DuMont, auf historische Forschungen und deren Verfasser reagiert, wenn diese nicht in sein Geschichtsbild passen, mag der Leser am folgenden Beispiel selbst beurteilen: Am 25.8.2006 veröffentlichte die israelische Tageszeitung Ha'artez im Internet (http://www.haaretz.com/hasen/spages/754521.html) die englische Fassung des Interviews mit dem Kölner Verleger. Auf die Feststellung: "Koelnische Zeitung, which was controlled by your father, Kurt, and by your uncle, August, supported Hitler's entry into the government" antwortet er: "Not before 1933. And then they were compelled to do what they were told. An Israeli newspaper claimed that they supported Hitler before 1933, and that is a lie. That is a lie. The national liberals, of whom my father was one, understood that the Nazis were getting stronger, but they believed that if the Nazis were brought into the government they would be tamed. Therefore, the support of Koelnische Zeitung for the Nazi Party to be in the government was not support for the party, but for democratic government."

Alfred Neven DuMont nennt also die Behauptung, die Kölnische Zeitung (KöZ) habe vor 1933 die Regierungsbeteiligung Hitlers unterstützt, zweimal eine Lüge - obwohl die wissenschaftliche Auswertung der damaligen MDS-Medien und verlagseigener Dokumente ein anderes Bild ergeben hat. Drei Historiker, die die Rolle der Kölnischen Zeitung in der Weimarer Republik wissenschaftlich untersucht haben, kommen zu folgenden Ergebnissen:

> Über das Zusammenrücken der rechtskonservativen Parteien mit den Nazis vor 1933 schreibt der Geschichtswissenschaftler und heutige Leiter des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, Dr. Werner Jung: "Ein gutes Beispiel dafür ist die Stellung der im Verlagshaus DuMont Schauberg erscheinenden Zeitungen." (für die entsprechenden Belege s. Verein EL-DE-Haus e.V. Köln u. NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Hg. Köln und der 30. Januar 1933. Köln, 1993:20-21)

> "Seit Herbst 1931 warb die KöZ massiv für eine Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten", stellt 2005 der Historiker Thomas Hessel fest. (Hessel, Thomas. Vom Stresemann-Blatt zum Fürsprecher Hitlers. In: Geschichte in Köln (2005)52: 183-206)

> "Obwohl rechtfertigende Motive daher hier zugrunde liegen, kann nicht behauptet werden, die Kölnische Zeitung habe die Dikatur Hitlers gewollt. Sie hat sie aber leichtfertig in Kauf genommen. Leichtfertig darum, weil Verleger und Redakteure seit 1930 klar erkannt hatten, daß die Zerstörung des demokratischen Systems das Ziel des Nationalsozialismus war. Dennoch traten sie nicht zur Rettung der Demokratie an", resümiert die Historikerin Vanja Budde. (s. Budde, Vanja. Die Auseinandersetzung der Kölnischen Zeitung mit dem Nationalsozialismus 1930-1934. Magisterarbeit. Köln: Universität zu Köln, 1994:150)

Als Rechtsanwälte teilen wir weiter mit: Die Frage, ob man die unstreitigen Grundstückskäufe als "Arisierung" bezeichnen darf, von der u.a. die Familie Neven Du Mont "profitiert" hat, ist Gegenstand eines Berufungsverfahrens zwischen der auch von uns vertretenen Neuen Rheinischen Zeitung-online und dem Journalisten Albrecht Kieser einerseits, und Herrn Alfred Neven DuMont andererseits, das am 31.10.2006 um 12.15 Uhr beim Oberlandesgericht Köln, Sitzungssaal 153, stattfinden wird.

Es geht dabei um eine Veröffentlichung in der NRHZ-online aus ähnlichem Kontext. Im letzten Schriftsatz zum Berufungsverfahren läßt Herr Neven DuMont unter anderem vortragen, dass dem Begriff der "Arisierung" ein immanentes Unrechtselement inne wohnt. Wörtlich heißt es dann: "Wenn die Antragsgegner (NRHZ-online und Albrecht Kieser) den Begriff "Arisierung" im Zusammenhang mit Privatkäufen der Familie des Antragsstellers (Alfred Neven DuMont) verwenden wollen, müssen sie klarstellen, dass diese Käufe jedenfalls nicht unrechtmäßig waren, und dass sich die Familie des Antragstellers durch diese Käufe nicht unrechtmäßig an fremden Vermögen bereichert hat. Ohne diese Klarstellung ist es unzulässig, im Zusammenhang mit den Grundstückskäufen von "Arisierungsprofiten" zu sprechen."

Das Oberlandesgericht Köln wird also auch zu entscheiden haben, ob man von rechtmäßigen Arisierungsprofiten zu sprechen hat.

Wir sind allerdings der Meinung, dass der Begriff "Arisierung" wissenschaftlich historisch festgelegt ist, dabei die (angebliche) Angemessenheit des Kaufpreises nicht entscheidend ist und dass der Begriff in seiner wissenschaftlichen Bedeutung auch in der öffentlichen Auseinandersetzung verwandt werden darf.




Online-Flyer Nr. 66  vom 17.10.2006



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