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Inland
Ein mutiges Herz hat aufgehört zu schlagen
Nachruf auf Henry Mathews
Von Axel Köhler-Schnura

Am 30. Juli starb Henry Mathews überraschend am zweiten Tag seines Urlaubs in Schweden. Gerade 40 Jahre jung wurde ein mutiger Kämpfer für eine gerechtere Welt und gegen Profitdiktatur mitten aus dem Leben gerissen. Die Trauer um diesen Verlust ist groß. Henry Mathews wirkte in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, auf nationaler und internationaler Ebene. Insbesondere verbindet sich sein Name mit dem Dachverband der Kritischen AktionärInnen. Zurück lässt er seine fassungslosen Freundinnen und Freunde, seine Angehörigen und seine Liebsten, vor allem seine Lebensgefährtin, seine Tochter und seine Eltern.

Es war 1986, da setzte Henry Mathews zusammen mit Helmut Paschlau und mir seine Unterschrift unter das Gründungsprotokoll eines Vereins, der die Aktionärshauptversammlungen in Deutschland verändern sollte: Im Naturfreundehaus Solingen wurde der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre aus der Taufe gehoben.

Gesellschaftspolitisch interessiert richtete der Landschaftsgärtner Henry Mathews bereits während seiner Ausbildung zunehmend sein Augenmerk auf die üblen Praktiken des Schering-Konzerns. In diesem Kontext lernte er die BUKO-Pharmakampagne und die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kennen. Nach dem Modell des Netzwerkes der CBG hob er das SCHERING-Aktionsnetzwerk (SCHAN), einen internationalen Verbund zur kritischen Begleitung des Berliner Pharma-Multis, aus der Taufe.

Mit 20 Jahren am Scheideweg, seine Karriere als Landschaftsgärtner weiter zu verfolgen oder aus der konzernkritischen Berufung einen Beruf zu machen, nahm er das Angebot an, Geschäftsführer der CBG zu werden. Parallel dazu entwickelte er eine umfangreiche journalistische Tätigkeit.

Als Anfang der 90er Jahre klar wurde, dass der Dachverband der Kritischen AktionärInnen auf rein ehrenamtlicher Basis nicht mehr zu führen ist, nahm Henry Mathews die Herausforderung eines Geschäftsführerpostens bei den Kritischen AktionärInnen an. Seit 1993 ist die Entwicklung des Dachverbandes von einem kleinen Verein engagierter KonzernkritikerInnen hin zu einer starken Vertretung Tausender AktionärInnen untrennbar mit seinem Namen verbunden.

Henry und 20 Jahre AG-Akten
Henry und 20 Jahre AG-Akten
Foto: CGB


Doch es blieb nie bei der Beschränkung auf die Verwaltung und Vertretung von Aktionärsrechten. Wo immer Menschenrechte, Demokratie, Ökologie und soziale Rechte in Gefahr waren, engagierte sich Henry Mathews. Besonders verbindet sich mit seinem Namen auch der Kampf gegen Nazis und Faschismus. Als Mitbegründer der Kampagne "Nie wieder!" setzte er alles daran, das faschistische Kapitel in Form der IG FARBEN endlich zu beenden und das Restvermögen dieses Mord-Konzerns den Opfern und Hinterbliebenen zugänglich zu machen.

Henry Mathews war tatkräftig. Seine Träume einer besseren, gerechteren Welt gab er zu keiner Zeit auf, sondern verfolgte sie aktiv, konsequent und ideenreich. Er erkannte das Profitprinzip als zentrales Hemmnis und setzte den Hebel dort an. Von Jahr zu Jahr wurde er auf einer stetig wachsenden Zahl von Aktionärs-Hauptversammlungen zum Ankläger der Konzernvorstände. Er war Kommunist, zeitweilig organisiert in der PDS/Linkspartei, verpflichtet den Unterdrückten und Ausgebeuteten. Auch wenn der Dachverband der Kritischen AktionärInnen sein Hauptwirkungsfeld war, so hinterließ er Spuren in zahlreichen anderen gesellschaftlichen Feldern, sowohl national als auch international.

Henry Mathews war mutig. Furchtlos trat er den Mächtigen entgegen. Auf den Hauptversammlungen der Konzerne und Banken sagte er den Vorständen, die die Fäden der Welt in der Hand halten, ohne Zögern ins Gesicht, was er von ihnen hielt. Auf Pressekonferenzen, Demonstrationen, Foren und Podien unterschiedlichster Art trat er dem Unrecht des Kapitalismus entgegen. Auch die Anwesenheit Tausender durchaus nicht immer wohlgesonnener ZuhörerInnen auf den Aktionärsversammlungen machte ihn nicht im Geringsten bange.

Henry und Genossen bei Hitachi
Henry und Genossen bei Hitachi
Foto: CGB


Henry Mathews war sensibel. Freundschaften rangierten an erster Stelle. Geprägt von tiefer Ehrlichkeit eckte er oft an, was er aber niemals scheute. Er war sehr unglücklich darüber, dass er viele Beziehungen nicht so pflegen und entwickeln konnte, wie sie es verdienten und er sich das wünschte. Darunter insbesondere das Verhältnis zu seiner geliebten Tochter.

Henry Mathews war ein Grenzgänger. Er vermochte es, Menschen unterschiedlichster Auffassungen und gesellschaftlicher Herkunft zusammenzubringen. Er sah stets zuerst das Menschliche und erst in zweiter Linie politische und andere Haltungen. Er hörte zu und folgte den Argumenten ohne ideologische Verbrämung. Zugleich war er streitbar, scheute keinen Konflikt und vermochte es so, gedankliche Ghettos zu überwinden und gegensätzliche Meinungen in die Diskussion zu bringen.

Am 30. Juli 2006 war Henry Mathews zusammen mit seiner Lebensgefährtin soeben in Nordschweden angekommen und hatte das gemeinsame Gepäck in einem Kanu verstaut. Vor ihm lag die in der Sonne glänzende Fläche eines Binnensees. Sieben Tage wollten die beiden gemeinsam die Wildnis erkunden, paddeln bis zu einem geeigneten Liegeplatz, sich für die Nacht einrichten und am nächsten Tag zu neuen Zielen aufbrechen. Doch bereits am zweiten Tag war das Abenteuer zuende. Henry Mathews erlitt einen Herzstillstand und stürzte ins Wasser. Ein mutiges Kämpferherz hatte aufgehört zu schlagen. Wir trauern.

Termin für die Trauerfeier: 5. September 2006, 12 Uhr, Städtischer Friedhof, Eythstraße 1 - 25 (Alboinplatz), 12105 Berlin
Statt zugedachter Blumen sind Spenden erbeten an den Dachverband der Kritischen AktionärInnen
Stadtsparkasse Köln 896 22 92 BLZ 370 501 98 Stichwort "Henry"



Online-Flyer Nr. 57  vom 15.08.2006



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